Idee der eigenen Erkenntnis
Idee der eigenen Erkenntnis

Swiss Policy Research - Covid Vaccines: The Good, The Bad, The Ugly

Frank Siebert
QR Code
Creative Commons Zero

Der Artikel "Covid Vaccines: The Good, The Bad, The Ugly" 1 vom 23.07.2021 auf Swiss Policy Research berichtet über die neuesten Daten aus Isreal und dem United Kingdom zur Impfstoff Effectiveness. Und wieder wird dort der Begriff Effectiveness verwendet, wo ich gelernt habe den Begriff Efficacy zu verwenden.

Effectiveness versus Efficacy - Überprüfung des korrekten Verständnisses der Begriffe

Daher kam mir der Verdacht: Ich muss mich wohl noch einmal versichern, dass ich da keinem Irrtum aufgesessen bin.

Die erneute Prüfung hat sich gelohnt, offenbar gibt es doch keine Einigkeit unter den Injektionsstoffherstellern über die Verwendung der Begriffe. Zumindest Moderna schert aus und verwendet den Begriff Effectiveness in einer Studie betreffend unter 18 Jährige und den Begriff Efficacy in einer Studie betreffend über 18 Jährige 2 . Da die Studien ja noch nicht abgeschlossen und veröffentlicht sind, können wir natürlich nur aus den Titeln und dem offensichtlich komplementären Charakter der beiden Studien darauf schließen, dass die Moderna-Forscher die Begriffe Effectiveness und Efficacy synonym verwenden.

So muss ich denn wohl einsehen, dass die Unterscheidung zwischen Efficacy und Effectiveness 3 , wie sie am 20.04.2021 in The Lancet erläutert wurde und auf die ich seit dessen Lektüre achte, nicht einheitlich angewendet wird, noch nicht einmal unter den Forschern Modernas.

Soviel zum wissenschaftlichen Konsens, dieser versagt bereits bei den Begriffsdefinitionen.

Sollte ich selbst nun die Unterscheidung aufgeben? Um ein Beispiel zu betrachten: Die Efficacy (definiert als relative Risiko Reduzierung RRR) von BioNTech war Ursprünglich mit etwa 95% angegeben, für die Effectiveness (definiert als absolute Risiko Reduzuerung ARR) hingegen wurde im The Lancet Artikel der Wert 0,84% ermittelt.

95% und 0,84%, die Werte liegen doch ein wenig auseinander und daher erscheint es mir Vernünftig, in meinen Artikeln weiterhin zwischen den Begriffen zu unterscheiden.

Vielleicht erkläre ich an dieser Stelle einmal allgemeinverständlich den Unterschied Anhand der Berechnung. Über einen Beobachtungszeitraum werden Injizierte und Nicht-Injizierte beobachtet und, je nach Falldefinition der Studie, positive Fälle unter Injizierten und Nicht-Injizierten gezählt und mit der jeweiligen Gesamtzahl der Teilnehmer ins Verhältnis gesetzt. Die Betrachtung erfolgt in Teilnehmertagen, nicht in Teilnehmern.

Im Ergebnis wird so das Fall-Risiko Injizierter und Nicht-Injizierter ermittelt. Nennen wir sie R I und R N .

Das relative Risiko RR ist wiederum das Verhältnis aus dem Fall-Risiko der Injizierten zu dem Fall-Risiko der Nicht-Injizierten, also R I /R N . Im Idealfall ist dieser Wert kleiner als 1, dann das Fall-Risiko der Injizierten sollte kleiner sein als das Fall-Risiko der Nicht-Injizierten. Bei dieser Betrachtungsweise spielt die absolute Höhe eines Fall-Risikos keine Rolle mehr. Egal wie gering die betrachteten Risiken an sich sind, hier geht es nur noch um deren Verhältnis zueinander. Sind die Risiken an sich sehr klein, so handelt es sich wieder um eine Betrachtung durch eine Lupe.

RR = R I /R N

Die Efficacy, also die relative Risikoreduzierung RRR, berechnet sich als 1-RR. Bei BioNTech kam hierbei die hohe Efficacy von ungefähr 0,95, also 95% heraus. Abgesehen von dem Lupeneffekt hat diese Wertermittlung den vordergründigen Vorteil, dass der Wert scheinbar stabil gegenüber Schwankungen des allgemeinen Fall-Risikos ist, also gegenüber saisonalen Schwankungen der sogenannten Prävalenz. Dass die Efficacy sich nun dennoch als über die Zeit schwankend - besser gesagt sinkend - zu erweisen scheint, ändert an diesem theoretischen Vorteil dieser Betrachtung nichts.

RRR = 1 - RR

Die Effectiveness hingegen. also die absolute Risikoredzierung ARR, ist die Differenz zwischen dem Fall-Risiko Nicht-Injzierter und Injizierter.

ARR = R N - R I

Das Risiko überhaupt ein Fall zu werden wird hierbei also mit betrachtet und dieses Risiko schwankt bekanntermaßen mit den jahreszeitlichen Witterungsverhältnissen. Wenn ich mich recht erinnere waren denn auch in der BioNTech Studie Teilnehmer der Nordhalbkugel und der Südhalbkugel zu etwa gleichen Teilen präsent, was diesen Schwankungen Rechnung tragen würde.

Und da das Risiko echt gering ist, überhaupt ein SARS-CoV-2 Fall zu werden, und sei es auch nur ein test-positiver gesunder Fall, so ist es auch nicht verwunderlich, dass die aus den BioNTech-Zahlen ermittelte Effektiveness mit 0,84% so niedrig ausgefallen war.

In einer echten pandemischen Lage, welche diesen Namen verdient, würde die Effektiveness steigen auch wenn die Efficacy gleich bleibt.

Für die Entscheidung, ob ich selbst die noch lange nicht vollständig bekannten aber offensichtlich hohen Risiken einer Injektion in Kauf nehme, muss ich natürlich diese ins Verhältnis zur absoluten Risiko Reduzierung setzen. Solange mir diese Wahl bleibt, finde ich einen Wert von ungefähr 1% nicht sehr überzeugend. Vor allem da ich die etwa 4% der Menschen, welche der zweiten Injektion fern bleiben 4 , als Indiz für das kurzfristige Risiko dieser Injektionen betrachte.

Der Artikel

Aber eigentlich wollte ich ja auf den Artikel von Swiss Policy Research eingehen.

Der Artikel verweist auf zahlreiche Quellen und hat seit seiner Veröffentlichung am 23.07. eine Reihe von Updates erfahren. Im Kern weist der Artikel auf die nachlassende Wirksamkeit der Injektionen in Israel und in Großbritannien hin, und unterscheidet hierbei zwischen der Wirksamkeit milde Fälle, Hospitalisierungen und schwere Fälle zu vermeiden.

Laut diesen Informationen fällt die Wirksamkeit in allen Kategorien, allerdings bei der Vermeidung schwerer Fälle langsamer. Der Artikel verweist auch darauf, dass die Daten aus Israel bestätigen, dass die durch Infektion erworbene natürliche Immunität den besten Schutz gegen erneute Infektion bietet. Und vor dem zusätzlichen Hintergrund fehlender steriler Immunität nach Injektion sei die gesamte Idee eines Impfnachweises damit hinfällig.

Ich sollte hier Anmerken, dass die Idee des Impfausweises und dessen flächendeckende Nutzung für Zugangskontrollen damit natürlich nicht hinfällig wird, denn die Idee besteht ja in der Kontrolle der Menschen, nicht in der Kontrolle von Infektionen. Dennoch ist es natürlich gut, dass der Artikel auf die Hinfälligkeit der offiziellen Begründung hinweist.

Nun, in dem Assessment Report der European Medicine Agency zu Comirnaty 5 steht ja auch auf Seite 132:

Zitat:

The pivotal study was not designed to assess the effect of the vaccine against transmission of SARS-CoV-2 from subjects who would be infected after vaccination. The efficacy of the vaccine in preventing SARS-CoV-2 shedding and transmission, in particular from individuals with asymptomatic infection, can only be evaluated post-authorisation in epidemiological or specific clinical studies.

Zitat Ende

Das ist verständlich, alle Hersteller haben darauf verzichtet auch nur den Versuch zu unternehmen, der injizierten Immunität nachzuweisen, dass sie Absonderung und Übertragung von SARS-CoV-2 verhindert oder verringert. Der Nachweis wäre auch schwer gewesen, denn auch für die natürliche Immunität fehlt bisher ein Nachweis asymptomatischer Übertragung, auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass sie mit geringer Wahrscheinlichkeit passiert. Wenn nicht einmal der Nachweis asymptomatischer Übertragung bisher gelungen ist, dann ist das Messen einer Verringerung des Übertragungsrisikos nach Injektion natürlich kein geeigneter Endpunkt einer Studie, die schnell fertig werden soll. Denn zur Ermittlung einer reduzierten Wahrscheinlichkeit müssten ganze Serien asymptomatischer Übertragungen nachgewiesen und hierfür auch alternative Infektionsquellen ausgeschlossen werden. Vor allem letzteres grenzt an Unmöglichkeit.

Außerdem war ja sowieso davon auszugehen, dass die grundlegenden Funktionsprinzipien der Immunität gleich bleiben und man daher keine Unterschiede zwischen injizierten asymptomatisch Infizierten und den anderen asymptomatisch Infizierten finden würde, was die Wahrscheinlichkeit einer Weitergabe des Erregers betrifft.

Auf jeden Fall verrät der kurze Abschnitt aus dem Assessment Report: Sterile Immunität wurde von BioNTech nie versprochen. Immerhin wurden ja in deren Studie injizierte Fälle mit nicht-injizierten Fällen verglichen, es war also bekannt, dass Infektionen nach Injektion weiterhin möglich sind. Gleiches ist für die anderen Hersteller der Fall. Ein sogenannter Impfausweis als Zugangsberechtigung zu was auch immer hatte daher zu keiner Zeit einen Sinn für den Infektionsschutz. Aber das ist ja auch für das asoziale Distanzieren, die Lockdowns, die Tests 6 und die Maske 7 der Fall, warum also sollte es bei den Injektionen und dem Impfausweis anders sein?

Dass nun ausgerechnet für einen injizierten in Los Angeles eine prä-symtomatische Übertragung 8 zu 60 anderen Menschen dokumentiert wurde, wirft da natürlich Fragen auf. Unter dem Gesichtspunkt der Schwierigkeiten eine genaue Infektionsreihenfolge nachzuweisen, sollte der Artikel aber auch nicht überbewertet werden. Niemand kann nachvollziehen, ob da nicht doch jemand anderes als symptomatische Infektionsquelle unterwegs war.

Der Artikel von Swiss Research Policy verweist übrigens auch auf eine Grafik, welche zeigen soll, dass Injizierte ein deutlich geringeres Risiko haben an der Delta-Variante zu sterben als nicht injizierte. Die Quellenangabe verweist auf einen Twitter-Tweet von John Burn-Murdoch und in diesem habe ich keine Informationen zu den Primärquellen der Daten gefunden. Das ist ein wenig Schade, lassen sich doch so diese Angaben nicht wirklich verifizieren.

Dabei ist John Burn-Murdoch offenbar Chief Data Reporter bei der Financial Times 9 , wie sich der Seite News Impact entnehmen lässt, und war als solcher am 25.11.2020 Sprecher bei dem Summit "Data Journalism: Build Trust in Media" 10 . Ein Bewusstsein für die Wichtigkeit von Quellenangaben ist bei John Burn-Murdoch also eigentlich voraus zu setzen. Dennoch sind zumindest mir keine Quellenangaben in dem Twitter-Tweet aufgefallen.

Auf jeden Fall empfehle ich den Artikel von Swiss-Research zur Lektüre, jeder muss für sich selbst die Informationen und angegebenen Quellen bewerten und einschätzen, denn:


Erkenntnisse haben immer vorläufigen Charakter und sind immer individueller Natur . Sie selbst entscheiden, ob Sie Erkenntnisse anderer als Meinung übernehmen oder ob Sie sich Erkenntnisse selbst erarbeiten. Meine Quellenangaben sollen Ihnen bei letzterem eine Hilfestellung geben, Sie sollten aber immer auch weitere Quellen verwenden.

Glauben Sie nicht, auch nicht mir, sondern prüfen Sie und schlussfolgern Sie selbst.

Fußnoten


  1. Covid Vaccines: The Good, The Bad, The Ugly ; Swiss Policy Research; 2021-07-28
  2. SARS-CoV-2 Impfstoff Informationen – Überblick ; Frank Siebert; idee.frank-siebert.de; 2021-01-27
  3. Effektivität und Alltagswirksamkeit der Covid-19-Injektionen ; Frank Siebert; idee.frank-siebert.de; 2021-06-30
  4. Israels Daten scheinen zu zeigen, dass der COVID Injektionsschutz nach 6 Monaten zu schwinden beginnt ; Frank Siebert; idee.frank-siebert.de; 2021-07-28
  5. Assessment report - Comirnaty , European Medicine Agency, 2021-02-19
  6. The performance of the SARS-CoV-2 RT-PCR test as a tool for detecting SARS-CoV-2 infection in the population ; Andreas Stang, Johannes Robers, Birte Schonert, Karl-Heinz Jöckel, Angela Spelsberg, Ulrich Keil, Paul Cullen; Elsevier Public Health Emergency Collection, PMC8166461; DOI:[https://dx.doi.org/10.1016%2Fj.jinf.2021.05.022 https://dx.doi.org/10.1016%2Fj.jinf.2021.05.022 ]; 2021-06-01
  7. 47 studies confirm ineffectiveness of masks for COVID and 32 more confirm their negative health effects ; LifeSiteNews; 2021-07-23
  8. EXCLUSIVE: I was a Covid super-spreader and the guilt is killing me: How Australian socialite gave the Delta strain to SIXTY people in a single weekend despite being fully vaccinated ; Nic White; Daily Mail Australia; 2021-07-21
  9. John Burn-Murdoch ; News Impact; archive.org, 2020-12-05
  10. Data Journalism: Build Trust in Media , News Impact Summit, 24-26 November 2020; archive.org, 2021-03-22

Kategorie:Israel Kategorie:COVID-19 Kategorie:Immunologie Kategorie:Impfung Kategorie:BioNTech Kategorie:Pfizer