Idee der eigenen Erkenntnis
Idee der eigenen Erkenntnis

Wie kann Demokratie nachhaltig sichergestellt werden?

Frank Siebert
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Diese Frage beschäftigt immer mehr Menschen, leben wir doch in einer Zeit, in der die Einen immer weniger Vertrauen in die demokratischen Organe unseres Landes besitzen, während die Anderen bereits erkennen, dass diese Organe immer mehr der ihnen gewährten Befugnisse an ungewählte internationale Organisationen übertragen. Diese Staatsorgane machen sich damit nicht nur auf lange Sicht selbst überflüssig. sie entziehen auch immer mehr Entscheidungen der demokratischen Kontolle.

Anmerkung

Die Einleitung beinhaltet ein sogenanntes Framing, welches den Eindruck vermittelt, es gäbe nur zwei mögliche Blickwinkel. Natürlich ist Ihnen das sofort aufgefallen. Das ist gut so. Lassen Sie Ihre Gedanken nicht von anderen in vorgegebene Rahmen zwängen.

Anmerkung Ende

Politische Akteure, welche an dieser Selbstentmachtung aus schleierhaften Gründen teilnehmen, stellen lieber die Frage: Wie können wir das Vertrauen in die Demokratie / den Staat festigen?

Dass diese Frage idiotisch ist, fällt nicht unbedingt sofort auf. Es ist schlicht die falsche Frage und die beliebtesten Antworten auf diese Frage zerstören die Demokratie und am Ende auch den Staat.

Idiotisch ist die Frage deshalb, weil eine Demokratie auf der Kontrolle der Macht der Staatsorgane beruht. Nicht nur sollen sich die Staatsorgane gegenseitig überwachen, damit keines seine Macht missbraucht, auch die Bürger sollen Ihre Staatsorgane wachsam beobachten, aus genau dem gleichen Grund.

Vertrauen in die Staatsorgane trübt diesen wichtigen wachsamen Blick und zerstört damit diese Demokratie und in der Folge auch diesen Staat, während das Misstrauen gegenüber den Staatsorganen den Staat und dessen demokratische Grundordnung stärken und stützen.

Aber natürlich ist Misstrauen alleine kein haltbares Fundament für eine Demokratie.

Wie kann Demokratie nachhaltig sichergestellt werden?

Wie nähert man sich einer solchen Frage überhaupt? Was genau ist eine Demokratie? Ist es damit getan, das Wort einfach als "Herrschaft des Volkes" zu übersetzen?

Machen wir doch ein Gedankenexperiment zur Errichtung einer Demokratie.

Freie Menschen kommen zusammen und entscheiden frei und gleich, sich frei und gleich in einer Gemeinschaft zu organisieren, in der bestimmte Aufgaben an Teile der Gemeinschaft übertragen werden, welche sie als Organe der Gemeinschaft bezeichnen.

Das ist der beste Start in eine demokratisch verwaltete Gemeinschaft, den ich mir vorstellen konnte.

Bei den übertragenen Aufgaben geht es darum, jedem in der Gemeinschaft eine gewisse Sicherheit zu geben, nicht in Nachteil gesetzt zu werden, aber auch eines Jeden Existenzgrundlage sicher zu stellen, sollte es zu Krankheit, Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit kommen.

Anmerkung

In Gesellschaften mit hoher Produktivität Aufgrund von Automatisierung kann auch Arbeitslosigkeit ein existenzielles Problem darstellen. Diese Form der Arbeitslosigkeit ist also im Grunde ein Luxusproblem, bei dem die Gemeinschaft leicht die Existenz der Betroffenen sichern kann. Eine andere Form der Arbeitslosigkeit beruht auf dem Fehlen von Arbeitsmitteln. Dank der politisch irrsinnigen Sanktionen werden wir diese wohl demnächst besser kennenlernen. Wie die geplante Existenzsicherung während der Zeit dieser Sanktionen aussehen soll, würde ich gerne wissen.

Anmerkung Ende

Freie Menschen sehen also Sinn darin eine Gemeinschaft zu bilden, einigen sich auf deren Bildung und auf deren Organe und auf die übertragenen Aufgaben und auf ein jeweiliges, demokratisches Verfahren, um die Ämter in diesen Organen zu besetzen.

Und da ist sie bereits, die Demokratie. Es lässt sich nun nicht vermeiden, dass die Übertragung von Aufgaben mit dem Übertragen von Verantwortung einher geht. Und die Übertragung von Verantwortung bedarf auch immer der Übertragung einer dieser Verantwortung entsprechenden Entscheidungsbefugnis. Und die Übertragung einer Entscheidungsbefugnis bedeutet immer eine Konzentration von Macht.

Konzentration von Macht bedeutet für jene, welche diese Macht übertragen haben, einen Verlust von Freiheit.

Wir haben hier gerade in einem Gedankenexperiment eine Demokratie erschaffen und wir sehen in dieser bereits das Saatkorn ihrer Zerstörung.

Wir sehen Machtkonzentration und Freiheitsverlust als unvermeidliche Folge der Demokratie-Errichtung. Nach diesem Gedankenexperiment komme ich also zu der Erkenntnis: Demokratie kann nicht nachhaltig sichergestellt werden. Das demokratischste an einer Demokratie ist der Akt seiner Errichtung, danach geht es mit ihr Bergab.

Es gibt sofort nach der Errichtung der Demokratie Gemeinschaftsorgane, besser bekannt als Staatsorgane, und in diesen gibt es Ämter mit Machtbefugnissen, welche jene der anderen neuen Staatsbürger übersteigt. Es gibt damit auch sofort keine Gleichgewichtigkeit der Stimmen mehr, sondern wichtigere und weniger wichtige Stimmen.

Und nach den Regeln der machtpolitischen Schwerkraftgesetze nimmt die Machtkonzentration mit der Zeit weiter zu, bis das politische System kollabiert.

Anmerkung:

Die Formulierung "machtpolitisches Schwerkraftgesetz" habe ich mir gerade ausgedacht. Es ist aber eine sehr naheliegende Formulierung und wurde vielleicht schon von anderen verwendet. Aber wundern Sie sich nicht, wenn Sie das "machtpolitische Schwerkraftgesetz" in keinem Lehrbuch finden.

Anmerkung Ende

Doch was könnten wir tun, wenn wir dennoch eine dauerhafte Demokratie in einer gemeinschaftlichen Ordnung wünschen?

Ich halte weiterhin das attische Modell der Ämterverlosung für eine hervorragende Methode das Anwachsen politischer Machtkonzentration zu verlangsamen.

Anmerkung:

Dagegen, dass unser wirtschaftliches System privatwirtschaftliche außer-demokratische Machtkonzentrationen geschaffen hat, welche natürlich auch politische Macht ausüben, hilft das Ämterverlosen natürlich nicht. Ich will dieses Problem heute auch ausklammern, um mich nicht unnötig zu wiederholen 1 .

Anmerkung Ende

Das Anwachsen politischer Machtkonzentration zu verlangsamen ist ja schon nicht schlecht. Aber selbst wenn ein attisches Modell dieses Anwachsen ganz stoppen würde, laufen wir mit dem Gedankenexperiment in ein Problem, wenn wir es weiter führen.

Einige Jahre später hat sich das Gedankenexperiment weiter entwickelt:

Freie Menschen kamen zusammen und entschieden frei sich in einer Gemeinschaft zu organisieren, in der bestimmte Aufgaben an Teile der Gemeinschaft übertragen wurden, welche als Organe der Gemeinschaft bezeichnet werden.

Neue Menschen wurden geboren, welche offenbar nicht an dieser Entscheidung beteiligt waren. Sie haben nicht frei entschieden, sich in dieser Gemeinschaft zu organisieren und bestimmte Aufgaben an Teile der Gemeinschaft zu übertragen.

Dem freiwilligen Zusammenschluss geht die Freiwilligkeit über die Jahre immer weiter verloren. Wir haben in unserem Gedankenexperiment etwas geschaffen, was ich als Erstgeneration-Demokratie bezeichnen möchte. Natürlich werden immer wieder neu Ämter verwählt oder verlost und auch Bürger der neuen Generation kommen so in diese Ämter. Sie haben sich aber, entgegen der ersten Generation, nie explizit und schon gar nicht frei für diese Organisationsform in dieser Gemeinschaft mit diesen Regeln und mit dieser Aufgabenverteilung entschieden.

Dies widerspricht dem Gedanken eines freiwilligen Zusammenschlusses freier und gleicher Menschen in einer demokratischen Gesellschaft.

Das sind, so vermute ich, selten geäußerte Gedankengänge. Wir nehmen es einfach als gegeben hin, dass die Welt und die Gesellschaft so ist, wie wir sie bei unserer Geburt vorfinden. Und genauso nehmen wir es als selbstverständlich an, dass folgende Generationen in das bestehende System hinein wachsen. Doch dies nimmt den Generationen, welche auf die Demokratie-errichtende folgen, die Freiheit dies selbst zu entscheiden.

Ist dies von Nachteil? Nun, es benachteiligt ganz klar die zu spät Gekommenen. Ihre Stimme hat geringeres Gewicht als die Stimmen der Erst-Generation, welche noch alles frei gestalten konnte.

Nun haben wir bereits zwei Probleme mit der Demokratie unseres Gedankenexperimentes. Es geht sofort nach Gründung mit ihr Bergab, und in das System hinein Geborenen wurde die Entscheidungsfreiheit genommen, sich aus freien Stücken mit Anderen in einer demokratischen Gemeinschaft zu organisieren, diese von Grund auf zu gestalten und deren Organe mit Aufgaben zu betrauen.

Was könnten wir besser machen?

Wie wäre es, wenn nach einer Generation, sagen wir alle 20 Jahre, die Demokratie neu begründet würde? Wenn alle 20 Jahre die Menschen in der Entscheidung, ob und wie sie eine Gemeinschaft gestalten, wieder völlig frei sind? Natürlich mit der Gefahr, dass sich die Menschen gegen eine Demokratie oder gar gegen eine Gemeinschaft entscheiden, dass muss ganz klar gesehen werden.

Sicherlich wäre es ein enormer Kraftakt, aber auch eine enorme Leistung, dass eigene demokratische System alle 20 Jahre unter Beteiligung einer neuen Generation auf den Prüfstand zu stellen und sogar gegebenenfalls in neuer Form neu zu Gründen.

Ich bin davon überzeugt, dass dies in Jedem ein Bewusstsein dafür schaffen würde, welch zartes und empfindliches Pflänzlein die Demokratie doch darstellt, und dass es der Aufmerksamkeit aller Bedarf, um es zu hegen zu pflegen.

Es würde aber auch das Bewusstsein stärken, dass jeder Einzelne Fundament der Demokratie ist, und dass wir sie alle stützen müssen, um sie zu erhalten.

Das Problem existiert nicht nur im Gedankenexperiment, sondern ganz real und offensichtlich. Es erstreckt sich auch nicht nur auf die Gesellschaft des einzelnen Staates, sondern auch auf internationale Verträge und internationale Organisationen.

Handelt es sich noch um eine Demokratie, wenn demokratische Entscheidungen früherer Generationen den demokratischen Gestaltungsspielraum neuer Generationen einschränkt? Ist dieser Verlust an Gestaltungsspielraum, an Freiheit, welcher über die Zeit zwangsweise immer weiter anwächst, in einer demokratischen Gesellschaft hinnehmbar?

Ich bin für internationale Verträge und im Grunde auch für internationale Organisationen. Für diese gilt allerdings wohl auch, dass sie regelmäßig in Frage und zur Disposition gestellt werden müssen, wenn ihre pure Existenz nicht über die Zeit hinweg in immer geringerer demokratischer Entscheidungsfreiheit münden soll, welche am Ende zu dem faktischen Verlust der Demokratie selbst führen muss.

Ich bin auch ganz definitiv für Stabilität in den Regeln unseres Zusammenlebens, also für stabile Gesetze, die sich nicht ständig ändern, wie wir es in den letzten 2 Jahren mit einer Flut von Änderungen des IfSG und Ad-Hoc Verordnungen erlebt haben. Auf der anderen Seite bin ich klar dagegen, dass der in den letzten 2 Jahren im IfSG und vermutlich in weiteren Gesetzen verabschiedete Unsinn auf Dauer Bestand hat.

So bin ich selbst hin und her gerissen zwischen dem Wunsch nach Stabilität der Regeln und der zunächst radikal anmutenden Grunderneuerung im Zwanzig-Jahrestakt. Ich sehe aber keine andere Lösung für das Problem der "Erstgeneration-Demokratie", und sie bietet regelmäßige Gelegenheit etwas gegen wuchernde Machtkonzentrationen zu unternehmen.

Wir können Demokratie nicht nachhaltig sicher stellen, aber wir können, nein, wir müssen sie beständig erneuern, wenn wir Demokratie möchten.

Dies macht Demokratie sicherlich zur aufwendigsten Selbstverwaltungsform seitdem es organisierte Gesellschaftsformen gibt. Dennoch möchte ich gerne in einer Leben.

Dies sind meine Gedanken zu dem Problem der "Erstgeneration-Demokratie", ein Problem, von dem ich vorher noch nie hörte. und Ihnen geht es sicherlich genauso. Sie können den Gedanken verwerfen, dass es dieses Problem überhaupt gibt. Aber vielleicht halten Sie ja kurz inne und denken erst darüber nach. Existiert es vielleicht doch? Ist mein Lösungsvorschlag Unsinn, den Staat einem Phönix gleich alle 20 Jahre neu aus seiner Asche aufsteigen zu lassen? Kann solch eine regelmäßige Neugeburt vielleicht sogar die unregelmäßigen Staats-Neugeburten aus der Kriegsasche verhindern?

Ihre Gedanken sind wichtig, weil sie die Welt verändern.


Erkenntnisse haben immer vorläufigen Charakter und sind immer individueller Natur . Sie selbst entscheiden, ob Sie Erkenntnisse anderer als Meinung übernehmen oder ob Sie sich Erkenntnisse selbst erarbeiten. Meine Quellenangaben sollen Ihnen bei letzterem eine Hilfestellung geben, Sie sollten aber immer auch weitere Quellen verwenden.

Glauben Sie nicht, auch nicht mir, sondern prüfen Sie und schlussfolgern Sie selbst.

Fußnoten


  1. Eigentum versus Reichtum - Worauf eine Demokratie achten muss ; Frank Siebert; Idee; 2021-03-12