Eigentum versus Reichtum - Worauf eine Demokratie achten muss
In meinem Artikel "Demokratie – Mißtrauen – Gewaltenteilung – Gleichheit – Regeln" 1 habe ich die Frage gestellt: Ist es ein wichtiges Freiheitsrecht x -fach reicher zu sein als der ärmste Mitbürger?
Ich habe diese Frage mit verschiedenen Werten für x gestellt, auch um grundsätzliche Schwierigkeiten aufzuzeigen: Wo soll man die Eigentumsgrenze ziehen? Und wie gelangt man zu einer vergleichbaren Bewertung der Eigentumsverhältnisse, ohne gleich alle Bürger bin ins Kleinste zu durchleuchten?
Vielleicht ist die Frage viel einfacher lösbar, als ich zu diesem Zeitpunkt dachte. Und im Grunde gibt es bereits die gesetzlichen Grundlagen in unserem Grundgesetz und warten nur auf ihre Ausgestaltung.
Ein Blick auf Bedeutung und Herkunft der Worte Eigentum und Reichtum fördert einen interessanten Aspekt des Reichtums Zutage, welchen das Eigentum nicht hat.
Und wieder einmal ist das englische Wiktionary der deutschen Fassung überlegen.
Etymologie von Eigentum:
- Eigentum : Von Mittelhochdeutsch Eigentuom. Äquivalent zu eigen (“own”) + -tum (“-dom”). 2
- eigen : Von Altniederländisch *eigan, von Proto-Deutsch * aiganą , das Partizip Perfekt von Proto-Germanisch *aiganą 3
- aiganą : Von Proto-Indo-Europäisch *h₂eh₂óyḱe, von *h₂eyḱ- Vermögen (im Sinne von Können), Besitz . 4
Etymologie von Reichtum
- Reichtum : Von Mittelhochdeutsch rīchtuom, von Althochdeutsch rīhhituom, rīhtuom, von Proto-Germanisch *rīkijadōmaz, equivalent to reich + -tum. Verwandt mit Niederländisch rijkdom, Englisch richdom. 5
- reich : Von Mittelhochdeutsch rīche, von Althochdeutsch rīhhi (“Reich, Mächtig”), from Proto-West-Germanisch *rīkī, from Proto-Germanisch *rīkijaz, eine Ableitung von *rīks König, Herrscher, Gewalthaber , welches dem Proto-Keltischen *rīxs (vergleiche Irisch rí) entlehnt ist. Alle Abstammend vom Proto-Indo-Europäischen *h₃reǵ- zu herrschen , von welchen sich das Lateinische rēx ableitet. 6
Es wäre wirklich schön, wenn wir die Grundlagen unserer Sprache in der Schule lernen würden. Ich bin jetzt in einem Alter - um das mal so zu formulieren - in der meine Garantie seit geraumer Zeit abgelaufen ist. Mit einer ordentlichen Sprachbildung würde es nicht so leicht passieren, dass man Reichtum einfach nur für viel Eigentum hält. Ich selbst habe dies erst heute gelernt. Vielleicht bin ich ja einfach nur ein Spätentwickler, aber ich glaube nicht, dass es nur mir so geht.
Eigentum ist worauf man gewissermaßen sitzt und was man kann, während Reichtum das ist, mit dem man herrscht und Gewalt über andere ausübt.
Eine Demokratie muss Eigentum fördern, da es die Bürger ins Vermögen setzt frei und unabhängig ihrer Arbeit, ihrem Leben und ihren gesellschaftlichen Aufgaben nach zu kommen.
Eine Demokratie muss auf der anderen Seite Reichtum verhindern, da dieser normale Bürger der Gewalt reicher Bürger unterwirft.
Als erstes Symptom solcher Gewalt fällt mir die Arbeit in abhängigem Arbeitsverhältnis ein, welche in unserer heutigen Gesellschaft bereits so normal geworden ist, dass wir diese gar nicht mehr in Frage stellen. Ich denke dies ist ein Fehler, die Frage muss gestellt werden! Die Antwort kann ja lauten, dass es in einer arbeitsteiligen Welt mit hoch spezialisierten Tätigkeiten Unternehmen mit Arbeitgebern und Angestellten geben muss. Vielleicht aber sind Genossenschaften genauso gut in der Lage diese Aufgabe zu übernehmen und sollten daher als die demokratischere Organisationsform deutlich bevorzugt werden (Gemeint sind hier Genossenschaften natürlicher Personen).
Unabhängig von dieser Frage gibt der Unterschied zwischen Reichtum und Eigentum einen Ansatz, wie speziell der politisch relevante Reichtum erkennbar wird ohne alle Bürger bis ins Kleinste zu durchleuchten.
Auf dem demokratischen Felde gilt: Bürger dürfen unterschiedlich vermögend, aber niemand darf reicher sein.
Und es wartet ein Artikel in unserem Grundgesetz auf seine Ausgestaltung, der es in der Folge relativ leicht macht politisch relevanten Reichtum zu unterbinden.
Artikel 18 Grundgesetz 7
Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.
Vielleicht braucht es ein Kriterien-Gesetz, woran sich der Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung erkennen lässt. Ein gutes Kriterium wäre der Einsatz von viel Geld oder geldwerten Zuwendungen in politischen Entscheidungsprozessen, Parteispenden, zur Verfügung stellen von Fachkräften für die Erstellung von Gesetzesentwürfen, die Finanzierung von Lobbyisten, Zahlung von Aufsichtsratsgehältern an Politiker oder ehemalige Politiker, Anzeigen in Zeitungen zu politischen Themen, Spenden an/Gründung von NGOs mit politischer Agenda und und und.
Alle diese Beispiele können als Kampf gegen den in der freiheitlich demokratischen Grundordnung festgelegten Gleichheitsgrundsatz gelten und somit als Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, wenn einzelne eine große Menge Geld dafür ausgeben. Als Vergleichsmaßstab für eine große Menge Geld können in einer Demokratie nur die finanziellen Möglichkeiten der Ärmsten dienen.
Im Grunde geben sich hier die Reichen mit ihrem Drang zur Machtausübung selbst zu erkennen, ein generell transparenter Bürger ist daher unnötig.
Ich gehe davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht noch nie ein entsprechendes Urteil zum Verwirken des Eigentumsrechtes ausgesprochen hat. Es ist auch davon auszugehen, dass es ein solches Urteil nie geben wird, solange die in der sprachlichen Herkunft erkennbare Natur von Reichtum durch das harmlose Wort Eigentum verdeckt wird.
Deshalb hier ein Hinweis an alle Verfassungsrichter - für den Fall dass eine entsprechende Klage einmal erhoben wird: Sobald Reichtum (im Wortsinne) vorliegt, befindet er sich im Machtkampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Dieser Kampf beginnt im Kleinen in den Gemeinden und verlagert sich bei wachsendem Reichtum auf das Bundesland und das Land bis in das Ausland hinein. Dies richtig zu bewerten ist eure Aufgabe.
Zur Zeit ist die freiheitlich demokratische Grundordnung dabei diesen Kampf zu verlieren. Ein Grund dafür könnte die gesellschaftliche Akzeptanz von Reichtum sein, welche Klagen in dieser Sache schwierig machen. Es kann Jahrzehnte dauern daran etwas zu ändern, vielleicht ist dieser Artikel ein kleiner Anfang.
In aller Deutlichkeit: Mir geht es hier nicht darum eine Neid-Debatte zu führen, einem jeden sei das seine gegönnt. Es geht einzig und alleine um die Frage: welche Voraussetzungen sind für eine Demokratie zwingend erforderlich?
Ich habe hier nun dargelegt: Eigentum (Vermögen, Besitz) ist zwingend erforderlich, genauso wie die Abwesenheit von Reichtum. Der Unterschied ist leicht erkennbar: Reichtum übt Macht aus, diese soll aber in einer Demokratie gleichgewichtig vom Volke ausgehen.
Fußnoten
- Demokratie – Mißtrauen – Gewaltenteilung – Gleichheit – Regeln ; Frank Siebert; idee.frank-siebert.de; 2021-03-04 ↑
- Eigentum , englisches Wiktionary ↑
- eigen , englisches Wiktionary ↑
- Reconstruction:Proto-Germanic/aiganą , englisches Wiktionary ↑
- Reichtum , englisches Wiktionary ↑
- reich , englisches Wiktionary ↑
- Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland , Stand 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048), www.bundestag.de ↑
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