Menschengemachter Klimawandel Bremen
In meinem Artikel "Klima Verstehen" 1 kam mir die Idee, dass der Primärenergieverbrauch in Deutschland höhere Temperaturmesswerte erzeugen muss, und ich habe Schätzungen dazu abgegeben. Für ein Ballungszentrum, so schätzte ich, könnte dies durchaus 1°C ausmachen. Mit verfügbaren Daten zu Bremen stelle ich hier Rechenergebnisse zu dieser Frage vor.
Der Grundgedanke der Rechnung ist einfach. Der Primärenergieverbrauch, egal ob für Heizung, Transport oder industrielle Prozesse eingesetzt, endet fast vollständig als Wärmeenergie in der Umgebung. Als eine Ausnahme kann ein Teil der Energie betrachtet werden, der in die Plastik-Produktion einfließt, da in diesem Fall Energie in chemischen Bindungen dauerhaft gespeichert wird, bis das Plastik die Müllverbrennung erreicht, wo die Energie dann doch wieder freigesetzt wird. Ausnahmen wie diese werden in meiner Betrachtung ignoriert.
Der Rechenweg ist schlicht und einfach. Er beginnt damit, den Primärenergieverbrauch des Landes Bremens auf die Fläche des Landes Bremens umzulegen, so dass die durchschnittliche Primärleistungsdichte in W/m² vorliegt. Die offiziell ermittelten Jahresdurchschnittstemperaturen verschiedener Jahre werden ebenfalls über Stefan-Boltzmann in eine durchschnittliche Gesamtleistungsdichte in W/m² umgerechnet. Die durchschnittliche Primärleistungsdichte wird dann von der durchschnittlichen Gesamtleistungsdichte abgezogen und das Ergebnis über Stefan-Boltzmann wieder in eine Temperatur umgerechnet.
Als Ergebnis erhalten wir die Jahresdurchschnittstemperaturen Bremens als Summe eines Primärenergiebeitrages und eines Natürlich+ Beitrages. Natürlich+ deshalb, weil mit dem Primärenergiebeitrag nur ein Teil des städtischen Hitzeeffektes erfasst wird. Der Effekt der Flächenversiegelung mit Beton und Asphalt ist in Natürlich+ weiterhin enthalten.
Natürlich benötigt man für diese Berechnung verlässliche Daten. Vom Portal des Statistischen Landesamtes Bremen erhielt ich den "Primärenergieverbrauch seit 1990 nach Energieträgern" 2 . Die Jahresdurchschnittstemperaturen für Bremen habe ich der Seite wetterkontor.de entnommen 3 . Die Berechnungen finden Sie in einem Open Office Spreadsheet 4 .
Die Berechnungen ergeben, dass der Temperaturbeitrag des Primärenergieverbrauches in Bremen je nach Jahr zwischen 2,16°C und 2,61°C lag. Das ist deutlich höher, als ich bei meiner Schätzung im Artikel "Klima Verstehen" vermutet hatte.
Wichtig ist es vielleicht noch einmal darauf hin zu weisen, dass dieser Temperaturbeitrag von über 2°C zu den in Bremen gemessenen Temperaturen nicht durch CO₂ verursacht wird, sondern schlicht durch die beim Energieverbrauch entstehende Wärme.
Wie genau sind die hier berechneten Werte?
Ich habe keine Information dazu, wie genau die Angaben des Statistischen Landesamtes sind, und auch zu den ermittelten Durchschnittstemperaturen liegen mir keine Angaben zur Genauigkeit vor. Mein Vertrauen in die Genauigkeit der von mir verwendeten Datenquellen ist mäßig bis gering, schon alleine weil keiner der beiden Datenquellen eine Fehlerabschätzung zu den angegebenen Werten mit angibt.
Eine Idee hatte ich noch, die Berechnung zu verändern. Das Statistische Landesamt gibt in seinem Datensatz auch für jedes Jahr den Primärenergieverbrauch aus "erneuerbaren Energieträgern" an. Ich überlegte ob es besser sei, diese in meiner Rechnung vorher abzuziehen, da diese ja unter Umständen auf dem Gebiet des Landes aus Sonne und Wind gewonnen worden sind.
Ich versuchte über eine Suche beim Statistischen Landesamt mehr über "erneuerbare Energieträger" zu finden, was das Landesamt alles darunter zusammenfasst, und ob es als der Umgebungsenergie des Landes entnommen gelten könnte, also aus Sonne und Wind in diesem Land gewonnen wird. Das Argument wäre gewesen, dass die Energieentnahme aus der Umgebung erfolgte und dann der Umgebung wieder zugeführt wurde.
Als Ergebnis der Suche fand ich, dass z.B. im Jahr 2018 der Primärenergieverbrauch "erneuerbarer Energien" bei 9 567 TJ lag, der Endenergieverbrauch aber nur bei 1 039 TJ 5 . Das Statistische Landesamt bestätigt den "erneuerbaren Energien" des Landes im Jahr 2018 damit einen Wirkungsgrad von nur 10,86%. 89% der "erneuerbaren Energien" wurden offenbar ungenutzt verbraten. Vielleicht wurden sie auch gar nicht wirklich erzeugt, oder sie wurden erzeugt und nach Österreich oder in die Schweiz an Pumpspeicherkraftwerke verschenkt. Der Punkt ist: Es ist nicht klar, was damit geschehen ist. Wie also sollte ich dies in die Rechnung aufnehmen?
Dann erinnerte ich mich außerdem daran, dass die Luft im Lee von Windfarmen wärmer ist, und so auch Windenergie zum menschengemachten Klimawandel beiträgt. Und Solaranlagen können durch eine geringere Albedo je nach gewähltem Standort den Energieeintrag in die Umgebung erhöhen 6 , trotz der Umwandlung von einfallender Sonnenenergie in Strom.
Die Informationslage war also unzureichend, um "erneuerbare Energien" gesondert in der Rechnung zu behandeln, und die Argumentation dies zu tun, "erneuerbare Energien" seien ein Nullsummenspiel bei der Betrachtung der Umgebungstemperaturen, bröckelte ebenfalls. Also ließ ich meine Rechnung so, wie sie hier nun vorliegt, mit allen Einschränkungen, mit der sie zu betrachten ist.
Trotz aller Einschränkungen demonstriert die Rechnung, dass in Ballungszentren wie Bremen die Temperaturen um 2°C oder sogar mehr erhöht sein können, weil in Ballungszentren auch geballt Energie verbraucht wird.
Dieser Temperaturbeitrag hat nichts mit einem globalen Klimawandel zu tun, sondern ist Teil des "Urban Heat Island Effect", der zusätzlich durch die Flächenversiegelung mit Asphalt und Beton gespeist wird.
Die gemessenen Jahresdurchschnittstemperaturen weisen in Bremen über die betrachteten 29 Jahre einen leichten Erwärmungstrend auf, im Wesentlichen den Temperaturen der Jahre 2014 und 2018 geschuldet.
Vergleicht man die Temperaturtrends ohne und mit Primärenergiebeitrag, so findet sich die im Nachhinein logische Feststellung, dass der Trend mit Primärenergiebeitrag kleiner ist als ohne Primärenergiebeitrag. Zumindest ist dies logisch für eine kühle Gegend wie Bremen. In kühleren Jahren wird mehr geheizt als in wärmeren Jahren, der Primärenergiebeitrag fällt tendenziell höher aus, der gemessene Temperaturtrend wird hierdurch etwas gedämpft.
In warmen Gebieten, in denen wenig geheizt aber viel gekühlt wird, Las Vegas wäre hierfür ein gutes Beispiel, dürfte der Primärenergiebeitrag statt dämpfend verstärkend in die gemessenen Temperaturtrends einfließen.
Diese Betrachtung kann nicht verraten, ob der geringe erkennbare Temperaturtrend einer weiteren Verdichtung der Bebauung oder einem globalen Trend geschuldet ist. Vermutlich ist beides der Fall und es dürfte schwer werden, die jeweiligen Anteile am Trend zu ermitteln. Eine solche Betrachtung erfordert vermutlich Vergleiche mit Messungen aus Gebieten, die möglichst abgelegen von Siedlungen liegen. Gleichzeitig muss die Messstation aber auch nahe genug liegen, um einen Vergleich überhaupt noch rechtfertigen zu können.
Das Ergebnis dieser Betrachtung ist nicht ganz das, was ich vorher erwartet hatte. Im Nachhinein allerdings erscheint das Ergebnis logisch und erwartbar.
Aber vergessen Sie dennoch nicht, sich meine Betrachtung kritisch anzuschauen, oder vielleicht sogar für Hamburg oder Berlin, die ähnlich dicht besiedelt sind, nachzuvollziehen. Vielleicht ist Bremen ja ein Ausnahmefall, wer weiß? Vielleicht habe ich eine wichtige Information übersehen oder in meiner Rechnung einen Fehler gemacht. Trotz aller Sorgfalt kann so etwas immer passieren.
Sollten Sie einen Fehler finden, dann teilen Sie mir diesen doch bitte mit.
Erkenntnisse haben meistens vorläufigen Charakter und sind immer individueller Natur . Sie selbst entscheiden, ob Sie Erkenntnisse anderer als Meinung übernehmen oder ob Sie sich Erkenntnisse selbst erarbeiten. Meine Quellenangaben sollen Ihnen bei letzterem eine Hilfestellung geben, Sie sollten aber immer auch weitere Quellen verwenden.
Glauben Sie nicht, auch nicht mir, sondern prüfen Sie und schlussfolgern Sie selbst.
Fußnoten
- Klima Verstehen ; Frank Siebert; Idee; 2024-09-09 ↑
- Primärenergieverbrauch von 1990 bis 2018 nach Energieträgern - Land Bremen - Terajoule ; Statistisches Landesamt Bremen; www.statistik-bremen.de; als XLS ↑
- Monats- und Jahreswerte für Bremen ; www.wetterkontor.de ↑
- Menschengemachter Klimawandel Bremen - Open Office Spreadsheet ; idee.frank-siebert.de; 2024-11-17 ↑
- Bremen in Zahlen 2022 (PDF) ; Statistisches Landesamt Bremen; www.statistik.bremen.de ↑
- The Photovoltaic Heat Island Effect: Larger solar power plants increase local temperatures ; Greg A. Barron-Gafford, Rebecca L. Minor, Nathan A. Allen, Alex D. Cronin, Adria E. Brooks, Mitchell A. Pavao-Zuckerman; Scientific Reports, volume 6; Nature Publishing Group; DOI: https://doi.org/10.1038/srep35070 ; 2016-10-13 ↑