Idee der eigenen Erkenntnis
Idee der eigenen Erkenntnis

Der XVIII. Kongress der Europäischen Verfassungsgerichte - Länderbericht Deutschland

Frank Siebert
QR Code
Creative Commons Zero

Am 25.02.2021 fand, ausgerichtet vom tschechischen Verfassungsgericht, der 18. Kongress der Europäischen Verfassungsgerichte statt. Gestoßen bin ich diese Information über meine eigene Suchmaschine 1 , in deren Suchergebnis für "Verfassungsgericht" ich einen Link auf die Presserklärung zur Teilnahme des Bundesverfassungsgerichts fand 2 .

Die extra für diese Konferenz erstellte Web-Seite 3 war meiner eigenen Suchmaschine nicht bekannt, sie kennt eben nur die Internetauftritte, die ich sie indizieren lasse. Aber sie soll ja andere Suchmaschinen nicht ersetzen sondern ergänzen.

Das Thema des Kongresses und Titel des abschließenden Report lautet:

Human Rights and Fundamental Freedoms: The Relationship of International, Supranational and National Catalogues in the 21st Century 4

Menschenrechte und fundamentale Freiheitsrechte: Die Beziehungen zwischen Internationalen, Übernationalen und Nationalen Katalogen im 21ten Jahrhundert.

Vorbereitet wird der Kongress seit 2017 und das Thema ist Heute im Lichte der Einschränkung unserer Grundrechte und der Demonstrationen dagegen hochaktuell. Dennoch hat es in der Presse bisher keine für mich auffindbare Berichterstattung dazu gegeben. Google findet zu der Suche nach "XVIII. Kongress der Europäischen Verfassungsgerichte" exakt einen Treffer 5 . Ein einzelner Treffer in Google, dafür gab es früher einmal ein eigenes Wort, aber ich habe vergessen wie dies hieß.

Da Google inzwischen meine Seiten indiziert, wenn auch nicht sehr zeitnah, sollte es in absehbarer Zeit zwei Treffer geben. Es sei denn Google hat Vorkehrungen bezüglich der Berichterstattung über diesen Kongress getroffen, was aber nur eine wilde Verschwörungstheorie sein kann. Von solchen Ideen distanziere ich mich (noch) ganz klar! Ich brauche in dieser Hinsicht ja auch nicht zu spekulieren, sondern ich kann es einfach abwarten.

Zur Vorbereitung des Kongresses hat jedes teilnehmende Verfassungsgericht einen Bericht angefertigt. Der Bericht unseres Bundesverfassungsgerichts enthält eine übersichtliche, wenn auch nicht ganz leicht verdauliche, Darstellung des Wechselspieles zwischen den Nationalen Grundgesetz-Regelungen, internationalen und europäischen Regelungen, sowie den EU-Regelungen.

Ich bin sicher, dass diese Ausarbeitung vor Gericht zitierfähig ist, wenn es in einem Rechtsstreit um verletzte Grundrechte geht. Immerhin haben DIE Autoritäten unseres Verfassungsrechts diese Zusammenfassung erstellt und dabei eine Vielzahl grundlegender Entscheidungen referenziert.

Mich interessiert natürlich, ob ich in dem deutschen Bericht Hinweise finde, ob meine Rechtsauffassung zu Corona-Tests und Impfungen vor Gericht Stand halten müsste.

Durch die folgenden Abschnitte fühle ich mich in meiner Auffassung bestätigt.

In seiner jüngeren Rechtsprechung betont das Bundesverfassungsgericht hingegen verstärkt die „Wechselwirkungen“ zwischen Grundgesetz und Grundrechtecharta sowie, als gemeinsames Fundament, der EMRK. Damit tritt der Gedanke des Grundrechtsverbunds hervor. Relevant wird dies vor allem dann, wenn das innerstaatliche Recht nicht vollständig, sondern nur teilweise unionsrechtlich determiniert ist. Entscheidend war hier bislang, inwieweit etwa eine Richtlinie dem deutschen Gesetzgeber Umsetzungsspielräume eröffnet, bei zwingenden Vorgaben treten danach die deutschen Grundrechte zurück. Infolge der Rechtsprechung des EuGH gilt allerdings, dass auch bei nicht vollständiger Determination des nationalen Rechts die relevanten staatlichen Maßnahmen i.S.d. Art. 51 Abs. 1 GRCh als Akte zur Durchführung des Unionsrechts anzusehen sind. Sekundärrechtliche Öffnungsklauseln zugunsten nationaler Regelungen werden ebenfalls dem Geltungsbereich der Unionsgrundrechte zugeschlagen. 6

Ich würde ja gerne Wissen, ob unser Grundgesetz im Sinne dieses Absatzes als Umsetzung der Grundrechtecharta betrachtet werden kann, auch wenn die Reihenfolge ihrer Entstehung anders herum ist.

Auf jeden Fall sind Grundrechte der Grundrechtecharta direkt geltende Grundrechte im Range der im Grundgesetz formulierten Grundrechte:

Sowohl die deutschen als auch die unionalen Grundrechte müssen als Bestandteil des geltenden Rechts infolge der Bindung aller staatlichen Gewalten an Recht und Gesetz (Art.20 Abs.3 GG) von allen Behörden und Gerichten gleichermaßen beachtet werden. Zugunsten der deutschen Grundrechte ergibt sich dies auch aus Art. 1 Abs. 3 GG, ohne dass dies den Wirkungsgrad der Unionsgrundrechte in Deutschland relativiert . Hält ein Gericht ein förmliches Gesetz, auf dessen Wirksamkeit es für die gerichtliche Entscheidung ankommt, für grundgesetzwidrig, muss es das Verfahren aussetzen und die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorlegen (Art. 100 Abs. 1 GG). Nur bei rein materiellen Gesetzen, also bei durch die Exekutive oder durch Selbstverwaltungskörper erlassenen Verordnungen und Satzungen (abgeleitetes Recht), haben die einfachen Gerichte die Befugnis, eine für verfassungswidrig befundene Norm im konkreten Rechtsstreit außer Anwendung zu lassen. Nur das Bundesverfassungsgericht verfügt allerdings über die Befugnis, die Nichtigkeit von Gesetzen mit erga-omnes-Wirkung verbindlich festzustellen, insofern kommt den verfassungsgerichtlichen Judikaten Gesetzeskraft zu (§ 31 Abs. 2 BVerfGG). 7

Gegenüber den nationalen Grundrechten genießen die Grundrechte der Grundrechtecharta in ihrem Anwendungsbereich grundsätzlich Anwendungsvorrang. Nur im Rahmen gestaltungsoffenen Unionsrechts kommt eine primäre Anwendung der deutschen Grundrechte im Lichte der Unionsgrundrechte (s.o. I.II.) und somit eine Relativierung dieses Anwendungsvorrangs in Richtung eines Zusammenwirkens beider Grundrechtsschichten in Betracht. Die Anerkennung des Anwendungsvorrangs steht unter dem Vorbehalt der Wahrung der nationalen Verfassungsidentität, wobei im grundrechtlichen Zusammenhang die Menschenwürdegarantie relevant ist . 8

Das ist ein echtes Hin und Her, oder? die Grundrechtecharta hat grundsätzlich Vorrang, Wenn das Unionsrecht etwas nicht oder nur teilweise regelt, dann gestalten wir Bundesrecht auf der Basis der deutschen Grundrechte, aber es gelten weiterhin zusammenwirkend die Grundrechte aus beiden Regelwerken, aber nur unter Vorbehalten natürlich. Im Zweifelsfall gewinnt der Schutz der Menschenwürde.

Verstanden habe ich folgendes: Grundsätzlich hat die Grundrechtecharta Vorrang und Wirkung, aber im Bundesrecht wird in erster Linie das Grundgesetz angewendet. Wenn eine der Streitparteien die Charta auspackt, wird sie unter Vorbehalt auch angewendet. Sobald es um die Menschenwürde geht wird angewendet was den weitreichenderen Schutz bietet.

Der Schutz der Privatsphäre ist im deutschen Grundgesetz nicht Gegenstand eines einzelnen Grundrechts. Die nach der Auslegung des EGMR durch Art. 8 EMRK geschützten Betätigungen sind durch unterschiedliche Grundrechte, vor allem durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz1 GG), das Recht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) und das Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) sowie die Rechte auf Unverletzlichkeit des Post-und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) und auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG), geschützt. Das Bundesverfassungsgericht sieht zudem in Art. 2 Abs.1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG die Grundlage für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als einem eigenständigen Grundrecht, durch das ein umfassend angelegter unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung geschützt wird. 9

Ist von diesen Rechten in unserer Lebenswirklichkeit etwas übrig geblieben? Dieser Text entstand vor 14 Monaten und wurde vor 2 Monaten auf einem Kongress verwendet. Wie hat diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf die deutschen Kongressteilnehmer gewirkt?

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Eine Ungleichbehandlung bedarf eines rechtfertigenden Grundes. Dieser liegt vor, wenn die Unterschiede zwischen den unterschiedlich behandelten Gruppen von solcher Art und solchem Gewicht sind, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Hat eine Ungleichbehandlung Auswirkungen auf grundrechtlich gesicherte Freiheiten, fällt dies besonders ins Gewicht. Das wirkt sich auf die Anforderungen an die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen reichen können, und damit auch auf die verfassungsgerichtlichen Kontrollmaßstab aus. In der praktischen Anwendung dieser Voraussetzungen erfordert eine Prüfung anhand des Gleichbehandlungsgrundsatzes daher insbesondere die Bildung von Vergleichsgruppen und die Prüfung, ob die Gleich- oder Ungleichbehandlung dieser Gruppen gerechtfertigt ist. 10

Bei diesem Absatz kann einem Bange werden, denn auf den ersten Blick scheint es tatsächlich eine Ungleichbehandlung von Geimpften und Nicht Geimpften oder auch Getesteten und Nicht Getesteten zu ermöglichen.

Alleine in diesen Fällen geht es nicht um irgend welche Grundrechte, sondern um Artikel 3 der Grundrechtecharta und die explizite Freiheit der Entscheidung in Absatz 2 Unterabsatz a dieses Artikels. Es ist einer von fünf Artikeln, welche unter dem Titel Menschenwürde gelistet sind.

Die hier vorgeschlagene Vergleichsgruppenprüfung würde ich in diesem Fall mit Verweis auf die Menschenwürde ablehnen. Bei den derzeitigen Verhältnissen kann dieser gruppenbasierten Prüfung schlicht nicht getraut werden.

In Anlehnung an die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts

Wo menschliches Leben existiere, komme ihm Menschenwürde zu. 11

lässt sich formulieren: Wo die freie Einwilligung in Maßnahmen im Rahmen der Medizin oder Biologie eingeschränkt wird, wird die Menschenwürde missachtet.

In diesem Sinne: Keine Impfpflicht, keine Testpflicht, keine Mundschutzpflicht, keine Abstandspflicht

Denn diese Maßnahmen bewegen sich in ihrer Begründung und in ihrer Auswirkung auf den einzelnen Menschen im Rahmen der Medizin und Biologie, beeinträchtigen direkt dessen körperliche und geistige Unversehrtheit, und bedürfen daher der freien Einwilligung des Einzelnen.

Was ich im Länderbericht Deutschland gelesen habe, bestärkt mich weiter in dieser Rechtsauffassung. Den Abschlussreport des Kongresses muss ich noch lesen.

Nachtrag 2022-03-07

Ein Jahr nach diesem Kongress gibt es tatsächlich immer noch nur einen Treffer und meine Seite 12 , bei Google. Vielleicht sollte ich tatsächlich die Protokolle einmal genau durcharbeiten, wie ich dies ursprünglich vor hatte. Es sieht nach einem brach liegenden Thema aus.

Fußnoten


  1. Meine YaCy-Suchmaschine
  2. Teilnahme des Bundesverfassungsgerichts am XVIII. Kongress der Konferenz der Europäischen Verfassungsgerichte , bundesverfassungsgericht.de, 2021-02-26
  3. Konferenz der Europäischen Verfassungsgerichte , Webseite des XVIII. Kongress, cecc2017-2020.org
  4. Human Rights and Fundamental Freedoms: The Relationship of International, Supranational and National Catalogues in the 21st Century , Seite 141, ecc2017-2020.org, 2021-03-05
  5. Ein einzelner Treffer in Google , archive.org, 2021-04-08
  6. XVIII. Konferenz der Europäischen Verfassungsgerichte 2020 - Länderbericht Deutschland , Seite 7, Prof. Dr. Christine Langenfeld, Prof. Dr. Henning Radtke1, 2020-02-24
  7. XVIII. Konferenz der Europäischen Verfassungsgerichte 2020 - Länderbericht Deutschland , Seite 9, Prof. Dr. Christine Langenfeld, Prof. Dr. Henning Radtke1, 2020-02-24
  8. XVIII. Konferenz der Europäischen Verfassungsgerichte 2020 - Länderbericht Deutschland , Seite 16, Prof. Dr. Christine Langenfeld, Prof. Dr. Henning Radtke1, 2020-02-24
  9. XVIII. Konferenz der Europäischen Verfassungsgerichte 2020 - Länderbericht Deutschland , Seite 22, Prof. Dr. Christine Langenfeld, Prof. Dr. Henning Radtke1, 2020-02-24
  10. XVIII. Konferenz der Europäischen Verfassungsgerichte 2020 - Länderbericht Deutschland , Seite 30, Prof. Dr. Christine Langenfeld, Prof. Dr. Henning Radtke1, 2020-02-24
  11. XVIII. Konferenz der Europäischen Verfassungsgerichte 2020 - Länderbericht Deutschland , Seite 18, Prof. Dr. Christine Langenfeld, Prof. Dr. Henning Radtke1, 2020-02-24
  12. Ein Treffer und meine Seite in Google , archive.org, 2022-03-07

Kategorie:Deutschland Kategorie:Freiheit Kategorie:Menschenrechte Kategorie:Verfassung