Idee der eigenen Erkenntnis
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Aufs Wort Geschaut: Verwaltung - Administration

Frank Siebert
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Demokratie - "Kraft des Volkes" - ist, so habe ich im letzten Beitrag bereits festgestellt, die einzige tragfähige Form eines Staates - also eines Bundes zusammenstehender freier Bürger 1 . Begriffe wie Autokratie, Aristokratie, Plutokratie, und wie sie auch sonst noch lauten mögen, sind allesamt Irrtümer, welche das auf- und zusammenstehen des Volkes - das namensgebende Merkmal des Begriffes Staat - nicht überstehen, wenn es sich gegen sie richtet. Alleine die Kraft des Volkes kann einen Staat begründen, tragen und zusammen halten. Andere Formen der Kratie verbergen nur mehr oder weniger erfolgreich, dass auch sie auf der Kraft des Volkes beruhen und von dieser Abhängig sind.

Werfen wir einen Blick auf die Gesellschaft eines Staates, so drängt sich oft das Bild einer Gesellschaftspyramide auf, in der die tragenden Gesellschaftsteile unten sind und die darüber liegenden Gesellschaftsteile zu tragen haben. Tatsächlich haben wir gelernt, dies als Hierarchie zu bezeichnen und wir begegnen in unserem Alltag gleich mehreren verschiedenen Hierarchien, in denen wir unseren Platz suchen. Wirtschaftliche Hierarchien zwischen Arbeitgeber, Abteilungsleiter und Angestelltem, Verwaltungshierarchien im öffentlichen Dienst, ein Machtgefälle zwischen Vermieter und Mieter. Eine Hierarchie zwischen Konzern und eingegliederter Firma. In einer modernen Gesellschaft müssen jene, welche ganz unten sind, viel tragen.

Hierarchie steht ursprünglich für eine Struktur mit einem Hohepriester an der Spitze. Das Wort stammt von dem altgriechischen ῐ̔ερᾰ́ρχης [hierárkhēs] 2 ab, was sich aus ἱερός [hierós] für "Heilig" und -άρχης [-árkhēs] für "Gesetzgeber" oder "Führer" zusammen setzt. Intuitiv halte ich die Kompetenz zur Regelsetzung für eine Folge der Führerschaft und werde mich daher im Weiteren auf die Bedeutung "Führer" berufen. Namensgeber des Begriffes Hierarchie ist daher der an der Spitze stehende "heilige Führer" oder auch Hohepriester. Nur einen Schritt weiter finden wir die Herleitung der Wortendung -άρχης [-árkhēs] 3 vom rekonstruierten proto-indo-europäischen "*h₃reǵ-" 4 , von welchem so schöne Worte wie Rex, was ein anderes Wort für König ist, Regel, Regieren und Reichtum abgeleitet werden.

Insofern ist der Klassiker der Hierarchie das Gottkönigtum, in welchem der König gleichzeitig Stellvertreter Gottes oder sogar selbst im Range eines Gottes ist. Der Ex-Kathedra noch immer unfehlbare Papst ist wohl das letzte verbliebene Beispiel eines Stellvertreters Gottes als Führungsspitze einer Monarchie.

Andere Monarchien, also Strukturen mit nur einer einzelnen Führungsspitze, eine Zusammenführung der Begriffe "Mono", "Ein" und "Archie", "Führung", führen heute ihre Legitimation nicht mehr auf ihren besonderen Draht zu oder ihrer Herkunft von einem Gott zurück. Moderne Monarchien in Europa haben sogar ihren Führungsanspruch abgegeben, zumindest offiziell sind sie nur noch repräsentativ existent, auch wenn man natürlich fragen kann und sollte, wen oder was sie denn repräsentieren, wenn nicht eine repressive und machthungrige Linie von Ahnen.

In einer Oligarchie führen einige wenige, entweder "Kraft ihres Reichtums" als Plutokraten, oder "Kraft ihrer 'besseren' Abstammung" als Aristokraten. Wenn eine Frau von der Leyen dem sogenannten Philanthropen Bill Gates "Danke für Ihre Führerschaft" sagt, dann können wir uns überlegen, ob dies auf eine Monarchie oder auf eine Oligarchie hindeutet.

Auf jeden Fall ist davon auszugehen, dass es sich um eine Plutokratie handelt, also um einen der vorhin erwähnten Trugschlüsse, die in Wirklichkeit dennoch "Kraft des Volkes" getragen und später "Kraft des Volkes" gestürzt werden, auch wenn es sich bei der EU eigentlich nicht um einen Staat handelt.

In einer Anarchie führt niemand den anderen, was Menschen mit ausgeprägtem Machthunger und Führungsanspruch nicht ganz geheuer ist. Gerne wird hier auf die Übersetzung "Regel" für "-archie" zurückgegriffen, um der Anarchie Regellosigkeit zu unterstellen. Da aber auch ohne Führungsperson in jeder Gesellschaft Regeln von selbst entstehen, ist diese Unterstellung offensichtlich unsinnig. Sogar unsere moderne Rechtsprechung erkennt die faktische Existenz ungeschriebener Regeln an, und betrachtet eine Bestrafung wegen des Verstoßes gegen die guten Sitten für möglich, während sich diese guten Sitten in ständigem Wandel befinden 5 .

Die üblichen Machtzentren einer Regierung oder einer Verwaltung fehlen in einer Anarchie. Eine Gesellschaftsstruktur, in der eine Mehrheit eine Minderheit trägt, welche sich selbst dann plötzlich für "erhaben" oder auch "erhoben" hält, ist abwesend.

Dies bedeutet nicht, dass es nicht dennoch eine Administration geben könnte, vorausgesetzt diese artet nicht in eine Verwaltung nach modernem Beispiel in den USA oder auch in Deutschland aus.

Das klingt jetzt für viele nach Unsinn, und vielleicht es dies auch in der Praxis. Vielleicht wird jede Form der Administration zwangsläufig zu einer Verwaltung, und üblicherweise werden diese Begriffe sogar als Synonyme verstanden.

Nur ein Blick auf die Herkunft dieser Worte offenbart, dass es keinesfalls Synonyme sind, und damit kommen wir nach einer unglaublich langen Einleitung zu dem eigentlichen Thema: Was ist der Unterschied zwischen einer Verwaltung und einer Administration? Natürlich ist dies eine rein sprachtheoretische Betrachtung, denn in der heutigen Anwendung gibt es diesen Unterschied ja nicht.

Vielleicht haben wir diesen Verlust der Differenzierungsmöglichkeit frühen Meistern des Neusprech zu verdanken.

Tatsächlich dachte ich zunächst und über mehrere Monate hinweg, nachdem ich erkennen musste, dass die Silbe "Reg" in dem Wort "Regierung" den gleichen Wortstamm wie "Rex" und der Begriff "Reich" hat, so etwas wollen wir in einer Demokratie doch gar nicht, wir wollen doch im Grunde nur eine Verwaltung, eine Administration.

Bedingt durch die Administration in den USA dachte ich dann natürlich, dass eine Administration vielleicht doch keine gute Idee ist, und dass wir lieber bei dem Begriff Verwaltung bleiben sollten, denn dieser ist doch weniger kritisch.

Schauen wir jedoch auf die Begriffe selbst, dann dreht sich das Bild um 180 Grad um.

In dem Begriff "Verwaltung" findet sich das Wort "walten" welches mit der klaren Bedeutung des "Gewalt ausüben" daher kommt 6 . "Walten" ist tatsächlich ein anderes Wort für "Herrschen". Und ich setze einfach einmal voraus, dass freie Menschen, welche zusammenstehen um einen Staat zu bilden, dies nicht tun, um sich beherrschen oder über sich walten zu lassen, sondern um einen Bund zwischen gleichen und freien Menschen einzugehen.

Tatsächlich wird freien und gleichen Menschen wohl eher vorschweben, dass sich aus dem Zusammenschluss Vorteile für alle ergeben, indem existenzsichernde und wohlstandsfördernde Dienstleistungen für die Gemeinschaft organisiert werden können, indem einige der Bürger sich bereit erklären, an diesen Zielen im Dienste der Gemeinschaft zu arbeiten. "Zu dienen" kann auch formuliert werden als "administrieren" 7 , und als Institution zum Dienste am Staat wird hieraus die Administration. Die vermutlich nächstliegende korrekte Übersetzung für "Administration" ist somit das Wort "Dienerschaft".

Wer Administration und Verwaltung gleichsetzt, setzt Dienen und Herrschen gleich. Das ist 1984 in Reinform.

Natürlich wissen wir nicht, welcher Beispiele Studium die hellseherisch anmutende Novelle 1984 möglich machten, das Beispiel "Herrschen ist Dienen" ist aber sicher ein guter Kandidat dafür.

Ob Gedanken wie diese eine Auswirkung auf unsere Zukunft haben liegt an den Lesern und Hörern, denn unsere Gedanken gestalten unsere Welt. Wenn wir dafür sorgen, dass die Begriffe "Verwaltung" und "Administration" in den Köpfen unserer Mitmenschen wieder zu Antonymen, zu Gegensätzen werden, haben wir die sprachlichen Mittel zur Verfügung einen staatstheoretischen Gegenentwurf zu gestalten, in dem nicht eine gehobene Klasse über eine niedrigere Klasse herrscht, sondern in der Gleiche unter Gleichen sich für einen Dienst an der Gesellschaft entscheiden, um an der Organisation existenzsichernder und wohlstandsfördernder Gemeinschaftsleistungen mit zu wirken.

Unsere Mitmenschen und unsere Kinder und Enkel, ich selbst habe leider weder Kinder noch Enkel, müssen verinnerlichen, dass wir keine höheren Gesellschaftsschichten brauchen, die sich auf den Schultern ihrer Mitmenschen tragen lassen. Die Armen, Schwachen und Siechen sind es, welche die Gesellschaft stützen muss, Die sogenannten "Eliten" gehören zurück auf den Boden der Tatsachen gesetzt, wo sie mit uns zusammenstehen können, wenn sie noch wissen wie dies geht, um mit uns zusammen den Staat dort zu begründen wo wir zusammen stehen.

Für diese Ideen müssen wir teilweise verlorene Begriffsbedeutungen wieder auferstehen lassen, um sie überhaupt denken zu können. Das Buch 1984 beschreibt, wie der Verlust der Begriffe das Denken bestimmter Ideen verhindert. Die Geschichte war fiktiv und in die damalige Zukunft verlegt, doch der Tatbestand existierte bereits länger, wie das Beispiel des Wortes Administration zeigt.


Erkenntnisse haben meistens vorläufigen Charakter und sind immer individueller Natur . Sie selbst entscheiden, ob Sie Erkenntnisse anderer als Meinung übernehmen oder ob Sie sich Erkenntnisse selbst erarbeiten. Meine Quellenangaben sollen Ihnen bei letzterem eine Hilfestellung geben, Sie sollten aber immer auch weitere Quellen verwenden.

Glauben Sie nicht, auch nicht mir, sondern prüfen Sie und schlussfolgern Sie selbst.

Fußnoten


  1. Aufs Wort Geschaut: Staat ; Frank Siebert; Idee; 2022-11-28
  2. ἱεράρχης - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  3. ἄρχω - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  4. Reconstruction:Proto-Indo-European-h₃reǵ- - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  5. Gute Sitten – Wikipedia ; de.wikipedia.org
  6. walten - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  7. administer - Wiktionary ; en.wiktionary.org