Idee der eigenen Erkenntnis
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Aufs Wort Geschaut: Staat

Frank Siebert
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Was genau verbirgt sich hinter diesem Wort? Wo kommt es her und inwiefern ist seine heutige Verwendung gerechtfertigt? Oder schrumpft es bei näherer Betrachtung zu einer Kleinigkeit zusammen, so wie der Begriff Zivilisation zu einer Niederlassung, einen Flecken 1 ?

Glauben wir den Sprachforschern, dann entstammt der Begriff dem Proto-Indisch-Europäischen "stísteh₂ti" 2 und bedeutete damals soviel wie "aufstehen". Das ist natürlich nicht ganz sicher, denn es handelt sich um eine Rekonstruktion.

Im Proto-Italienischen, ebenfalls eine Rekonstruktion, wurde es zu "sistō" 3 und konnte "stehen" oder "Platz" bedeuten, was bereits eine interessante Verschiebung ist. Die zuvor noch aufstehende Person steht jetzt nicht nur auf einem Standpunkt, nein, sie braucht auch bereits einen Platz, einen Standort.

Im Lateinischen wird daraus, diesmal verbürgt, "sisto" 4 in der unvollendeten Gegenwart mit einer Liste von möglichen Bedeutungsnuancen.

Ich verstehe jetzt die mittelalterlichen Stände und deren Bedeutung viel besser, glaube ich. Das Stehen und der Stand in ihrer nicht immer ganz passiv-wehrhaften Form finden hier bereits deutlich ihren Ausdruck.

Das Partizip Perfekt Passiv von "sisto" ist das Wort "status" 5 , die Qualität des Status ergibt sich infolgedessen wohl aus dem Erfolg, mit man sich zuvor gestellt oder platziert hat und danach diesen seinen Stand oder Standpunkt verteidigt hat. Zumindest wäre diese Interpretation folgerichtig, wenn Status nicht vererbbar wäre.

Im mittelalterlichen Latein bildet sich die Partizipialform "state" aus; eine Information, die sich in der zweiten für das Wort "Status" vorgeschlagene Abstammungslinie findet.

Ich muss hier doch einmal feststellen, dass die Abstammung des Wortes "Staat" von dem Wort "state" im Partizip, also in einer Teilhabe signalisierenden grammatikalischen Form, total Sinn macht. Es ist dies eine Einladung an jeden Einzelnen von uns, für unseren gemeinsamen Standpunkt und Standort einzustehen oder gar aufzustehen. Dieses wehrhafte Zusammenstehen ist im Wortsinne der staatsbildende Akt.

Der Begriff ist somit genauso wie die Existenz des Staates wortwörtlich an die Wehr- und Standhaftigkeit seiner Bürger gekoppelt. Der Staat entsteht, besteht und übersteht im wahrsten Sinne des Wortes durch das gemeinsame hierfür wehrhaft Aufstehen der Teilhaber, üblicherweise als Bürger bezeichnet.

Das Staatsgebiet definiert sich ganz natürlich als der Boden, auf dem diese Bürger "stehen", oder sagen wir es weniger Aggressiv: "leben".

Der Staat, so stelle ich hier fest, besteht aus seinen Bürgern und das Staatsgebiet ist der bestandene Grund seiner Bürger.

Das ist eine sehr lateinische Sicht, denn Berichten zufolge hat der Germane seinen Grund durch wortwörtliches Besetzen in Besitz genommen. Vermutlich musste aber auch er danach des öfteren Aufstehen, um diesen in Besitz zu halten.

Ich befürchte, keiner dieser Gedanken ist sonderlich neu. Der Staat besteht aus seinen Bürgern und das Staatsgebiet ist bestanden durch seine Bürger. Das ist doch eine eher triviale Feststellung. Und eine Sezession, wie die Charta der Vereinten Nationen sie vorsieht, ist dann die Neuaufstellung freier Bürgern auf einem Teilgebiet des Staates, wodurch sie einen neuen Staat begründen. Wobei das Wort selbst nur das Fortgehen 6 beinhaltet und nicht das Neuaufstellen. Vielleicht ist es diese Fehlkonzeption, welche viele Versuche der Sezession scheitern lässt.

Es tut mir ein wenig leid, dass ich dieses Mal so gar nichts Neues anbieten kann, was Kontroversen auslösen könnte. Nun ja, immerhin könnte es für den Einen oder Anderen ja interessant gewesen sein, dass die Ursprünge des Wortes Staat im Begriff Stehen gründen, ja sogar im Begriff Aufstehen, wenn die Sprachwissenschaftler dies richtig Rekonstruiert haben.

Der Begriff Stadt 7 , geht übrigens auf die gleiche Herkunft zurück, wenn auch ohne den Umweg über das Lateinische, falls die Sprachforscher recht haben.

Das macht aus dem Begriff Stadtstaat eine echt bescheuerte Wortkombination. Zum Glück lässt sich diese leicht und ohne Verlust vermeiden.


Erkenntnisse haben immer vorläufigen Charakter und sind immer individueller Natur . Sie selbst entscheiden, ob Sie Erkenntnisse anderer als Meinung übernehmen oder ob Sie sich Erkenntnisse selbst erarbeiten. Meine Quellenangaben sollen Ihnen bei letzterem eine Hilfestellung geben, Sie sollten aber immer auch weitere Quellen verwenden.

Glauben Sie nicht, auch nicht mir, sondern prüfen Sie und schlussfolgern Sie selbst.

Fußnoten


  1. Mensch ; Frank Siebert; Idee; 2022-03-07
  2. Reconstruction:Proto-Indo-European-stísteh₂ti - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  3. Reconstruction:Proto-Italic-sistō - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  4. sisto - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  5. status - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  6. secedo - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  7. Stadt - Wiktionary ; en.wiktionary.org