Idee der eigenen Erkenntnis
Idee der eigenen Erkenntnis

Wissenschaft ist, was Wissen schafft

Frank Siebert
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Mit dem schönen Spruch "Wissenschaft ist, was Wissen schafft" könnte bereits fast alles gesagt sein. In erster Linie begeben sich Wissenschaftler auf die Suche nach Erkenntnis, ein Prozess der mit dem Verstehen startet, wie ich bereits in einem Artikel 1 dargelegt habe.

Dem Verstehen, also der Betrachtung des Forschungsgegenstandes aus den Perspektiven verschiedener Fragestellungen, folgt das Begreifen, also die experimentelle Untersuchung, gefolgt von dem Erkennen, mit dem die Entstehung von Ideen, also von Theorien, verbunden ist.

Ähh, ja, Augenblick!

Sollte es dann nicht eher lauten: Theorienschaft ist, was Theorien schafft?

Tatsächlich handelt es sich bei dem Wissen, welche die Wissenschaft schafft, um Erkenntnisse und Theorien mit unbekanntem Verfallsdatum. Zum Teil behilft man sich auch mit einem eingeschränkten Gültigkeitsbereich, wie z.B. bei der Relativitätstheorie. In diesem Gültigkeitsbereich "funktioniert" die Theorie und kann sehr praktische und genaue Vorhersagen machen, wodurch sie in der Entwicklung technischer Anwendungen eine sehr hilfreiche Funktion erfüllt und zu Recht eine große und breite Anerkennung erfährt. Sie ist deswegen noch lange nicht "richtig", aber so lange es keine bessere Theorie gibt reicht es, wenn sie "funktioniert".

Wissenschaftlern mag das eine oder andere Mal die Aussage entschlüpfen, eine bestimmte Theorie sei durch eine bestimmte Beobachtung "bewiesen" worden, aber normalerweise werden sie lieber das Wort "bestätigt" verwenden und damit "nicht widerlegt" meinen.

Denn normalerweise vertrauen Wissenschaftler wissenschaftlichen Theorien nicht, sondern versuchen immer wieder Beweise für deren Versagen zu finden. Zum Einen tun sie dies, weil jeder Beweis der Richtigkeit einer Theorie unmöglich ist, während der Beweis der Fehlerhaftigkeit geführt werden kann, zum Anderen eröffnet der "Sturz" einer Theorie die Möglichkeit neue Theorien zu etablieren.

Wenn Wissenschaftler darum werben, DER WISSENSCHAFT zu vertrauen, dann sollten wir alle sehr misstrauisch werden.

Von der Bedeutung her ist das Wort Wissenschaft schwer greifbar. Wissen- scheint recht klar zu sein, doch -schaft in seiner kollektiv-bildenden Verwendung trägt sowohl das Gemeinschaft-Schaffende als auch das statusbewußt Abgrenzende tief in sich. Vielleicht ist dies so, weil es uns Menschen schwer fällt Gemeinschaften ohne Abgrenzung zu bilden.

Die Aufforderung ist also: Wir sollen einer Gemeinschaft von Menschen vertrauen, deren Gemeinschaftsgrundlage das Anzweifeln der Theorien ist, welche jeweils von Teilen der Gemeinschaft aufgestellt wurden. Und die Mitglieder dieser Gemeinschaft vertreten eine Vielzahl widerstreitender fachlicher Ansichten, die kein Mensch alle gleichzeitig glauben kann ohne schizophren zu werden. Es handelt sich noch nicht einmal um eine klar definierte Gruppe, denn jeder kann ohne akademische Würden und Aufnahmerituale wissenschaftlich tätig werden und damit Teil dieser Gemeinschaft werden. Es handelt sich mehr um die abstrakte Idee einer Gemeinschaft, als um eine wirklich existente Gemeinschaft.

Es ist von daher unmöglich DER WISSENSCHAFT zu vertrauen (im Sinne von "zu glauben"). Worum geht es also wirklich?

Es geht um das Mögliche - wir sollen nichts mehr hinterfragen.

Wir sollen davon Abstand nehmen, selbst zu zweifeln, zu verstehen, zu begreifen, zu erkennen und zu erschaffen.

Ich konstatiere: Bei einem Wissenschaftler der dieses verlangt überwiegt die abgrenzende Bedeutung des "-schaften". Es riecht stark nach ständischem Dünkel. Vielleicht gab es da etwas zu viel Kontakt mit elitärem Gedankengut.

Aus meiner Sicht hat jeder das Recht zu zweifeln, zu verstehen, zu begreifen, zu erkennen und auch neue Ideen zu erschaffen. Und jeder hat ganz individuell das Recht daran zu scheitern - einmal - zweimal - beliebig oft. Es ist ja nicht so als ob ein wissenschaftlicher Titel vor Fehlern schützen würde, oder als ob es plötzlich gelungen wäre Theorien zu beweisen, warum also soll ich aufhören zu zweifeln?

Das am besten "gesicherte" Wissen haben wir in der Mathematik, in der es immer wieder einmal gelingt schöne Beweise zu formulieren. Und die guten Mathematiker werden nicht vergessen. dass diese Beweise nur bedingt gelten, nämlich nur bis zu dem Tag, an dem der Sturz eines Axioms gelingt, welches dem Beweis zu Grunde liegt.

Nicht einmal die Mathematik ist zweifelsfrei richtig.

Und doch ist sie so wunderbar praktisch und sie kann fast unglaubliches. So ist es möglich per Weyl Transformation von der Metrik des Einstein Rahmens in die Metrik des Skalierungs Rahmens zu wechseln und so den Urknall verschwinden zu lassen! Die Physik bleibt die gleiche, das Universum bleibt das gleiche, aber der Urknall ist verschwunden, und zwar nur durch das mathematische Äquivalent eines Perspektivenwechsels. Den Vortrag dazu liebe ich vor allem deshalb, weil er mir eine lang gehegte Frage beantwortete: "Wie können Physiker unterscheiden, ob sich der Raum ausdehnt oder ob die Strukturen im Raum schrumpfen?" 2 Sie können es nicht! Ich habe auch noch eine neuere Veröffentlichung dazu gefunden 3 . Ach ja, eine Anmerkung noch, in dem geänderten Bezugssystem verschwindet der Urknall natürlich nicht wirklich, sondern er beginnt lediglich nicht mehr in einer Singularität und er läuft sehr, sehr langsam ab. Nur die Charakteristiken, die zur Namensgebung führten, verschwinden, der Vorgang selbst existiert in dem Modell weiterhin.

Ich behaupte nicht dies alles verstanden zu haben, aber ich würde es gerne verstehen, begreifen, erkennen und auch eigene Ideen oder Fragen dazu entwickeln.

Wenn Wissenschaftler von mir verlangen, dass ich DER WISSENSCHAFT vertrauen soll anstatt mein Gehirn zu verwenden, dann erzeugt dies Zweifel an ihrer Wissenschaftlichkeit.

Als Wissenschaftler sollten sie dazu auffordern, den Versuch einer Widerlegung ihrer Aussagen zu führen! Denn mit jedem Fehlversuch steigt das Vertrauen in ihre Aussage und ihre wissenschaftliche Reputation.

Zum Vertrauen Auffordern ist dagegen doch peinlich.

Und trotz aller Peinlichkeit, wir werden diese Aufforderung immer öfter hören, auch von "Wissenschaftlern".

Fußnoten


  1. Verstehen ; Frank Siebert; idee.frank-siebert.de; 2020-12-08
  2. PHYSIK IM THEATER: Raum. Zeit. Universum – Die Rätsel des Beginns (19.01.2016) , Christof Wetterich, Universität Heidelberg auf Einladung der Universität Mainz, YouTube, 2016-01-19
  3. Crossing the Big Bang singularity , Christof Wetterich, Universität Heidelberg, arxiv.org, arXiv:2004.04506v3 [gr-qc], 2020-10-26