Idee der eigenen Erkenntnis
Idee der eigenen Erkenntnis

Wir 565000 deutschen Juden legen feierliche Verwahrung ein

Frank Siebert
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Sicherlich wissen Sie alles wissenswerte über das Ende der Weimarer Republik und den Beginn des Dritten Reiches. Schließlich haben wir in Deutschland während unserer Schulzeit dieses Thema mehrfach rauf und runter behandelt und unsere Fernsehprogramme behandeln dieses Thema in ungezählten Dokumentationen.

Ergänzung: 2025-05-26: Ich habe eine Ergänzung am Ende des Artikels angefügt.

Zumindest dachte ich dies recht lange, bis ich einige durchaus interessante Lücken in meinem Geschichtswissen feststellen musste. Und da sich unser Blick auf die Geschichte auf unseren Blick auf die Gegenwart auswirkt, kann so etwas eine beunruhigende Feststellung sein.

Auf der Seite "The Unz Review" wies mich vor ein paar Tagen der Artikel "The Jewish Declaration of War on Germany" 1 auf eine weitere Wissenslücke hin. Noch nie hatte ich gehört, gelesen oder gesehen, dass Juden Deutschland irgendwann den Krieg erklärt hatten. Aber da war dieser Artikel, mit Bildern alter Zeitungsausschnitte, und auf einem dieser Ausschnitte stand es tatsächlich zu lesen, Zitat:

JUDEA DECLARES WAR ON GERMANY
Jews Of All The World Unite In Action

Zitat Ende

und Bildzitat:

Ein Photo des Londoner Daily Express vom Freitag dem 24. März 1933, mit Überschriften zum Wirtschaftskrieg der Juden gegen Deutschland und dem Aufruf zum weltweiten Boykott deutscher Waren.  Quelle: "The Jewish Declaration of War on Germany"

Bildzitat Ende:

Zunächst bricht da ja kein Weltbild deswegen zusammen, immerhin war Hitler zuvor in diesem Jahr, am 30. Januar 1933, zum Reichskanzler bestellt worden, und wir wissen ja, dass danach überall in Deutschland zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen wurde.

Nur, so dieser Artikel, der Aufruf des internationalen Judentums zum Boykott deutscher Waren sei zuerst erfolgt. Kann das denn stimmen?

Nun, in meiner Sicht der Welt kann dies natürlich nicht stimmen, denn in meiner Weltsicht gibt es ein internationales Judentum nicht. Natürlich gibt es weltweit Juden, genauso wie es weltweit Christen gibt, aber es gibt kein internationales Christentum, welches irgend wem den Krieg erklären könnte, da es schlicht keine Person oder Organisation mit der Berechtigung gibt, eine solche Erklärung im Namen aller Christen abzugeben. Und natürlich gilt gleiches auch für die Juden, oder, um es noch klarer zu machen, auch für alle Deutschen, oder alle Franzosen, usw.. Niemand darf in unserem Namen irgend wem den Krieg erklären oder unerklärt in einen solchen ziehen, es sei denn, er hat sich hierfür von jedem Einzelnen die Erlaubnis eingeholt. Dies ist Teil unserer unveräußerlichen angeborenen Freiheit und Menschenwürde.

Sie dürfen selbstverständlich eine andere Weltsicht haben.

Dennoch hat sich 1933 jemand angemaßt, im Namen aller Juden Deutschland den Wirtschaftskrieg zu erklären, jemand mit viel Einfluss und sicher auch mit viel Mitteln, denn ansonsten hätten Zeitungen sicherlich diese Erklärung nicht abgedruckt. Aber wer dies war, weiß ich bisher noch nicht.

Eine entscheidende Frage ist natürlich, ob dieser Boykottaufruf wirklich vor dem Boykottaufruf jüdischer Geschäfte in Deutschland stattfand. Um den Boykott gegen Deutschland zu starten wurde laut dem Artikel die Organisation "Jewish War Veterans" genutzt, was aber weiter die Frage offen lässt, welche Personen Interesse an diesem Boykott hatten und aus welchem Grund.

Ein Absatz des Artikels geht als Hintergrund auf die Hyperinflation in Deutschland ein, die aber bereits vor dem Amtsantritt Hitlers überwunden war, und der Hinweis auf jüdische Bankiers, in Klammern Rothschild, welche nach Erkenntnis Hitlers die Hyperinflation zum eigenen Nutzen beförderten, stützt sich nicht auf historische Dokumente. Klar ist jedenfalls, dass mit dem Bankgesetz von 1924 3 die Hyperinflation im Jahr 1925 überwunden war und die Reichsbank im Jahr 1930 überwiegend deutsche Anteilseigner hatte, was nicht ausschließt. das einige davon jüdischen Glaubens waren.

Zitat Staatssekretär Dr. Trendelenburg 3. Februar 1930:

Im Jahr 1929 besaßen 10 016 Deutsche insgesamt 1 003 340 Reichsbank-Anteile und 223 148 Anteile waren in der Hand von 1288 Ausländern. ...

Zitat Ende 4

Der erste Eingriff in das Bankgesetz, der die Unterschrift Hitlers trägt, ist vom 27. Oktober 1933, und dies ist eindeutig später als der jüdische Boykottaufruf und nichts in der Gesetzesänderung scheint sich gegen jüdische Bankiers zu richten. Die Hyperinflation und Hitlers Maßnahmen gegen jüdische Banker als Hintergrund des jüdischen Boykottaufrufes gegen Deutschland trägt nicht.

Der Artikel, der mich so in Erstaunen versetzte, hat deutliche Schwächen, um es höflich auszudrücken. Wie sieht es also mit folgender im Artikel aufgestellter Behauptung aus?

Zitat (Übersetzt):

Selbst der Zentralverband der Juden in Deutschland, der so genannte Verein, wies die von jüdischen Führern überall lautstark geäußerte Behauptung zurück, die neue deutsche Regierung provoziere absichtlich antijüdische Aufstände.

Zitat Ende

Das klingt nun wirklich unglaublich, oder? Es hilft ja nichts, die Quellensuche muss sein. Und tatsächlich wurde ich in den historischen Sammlungen der Universitätsbibliothek Frankfurt fündig.

In der Central Verein Zeitung, Allgemeine Zeitung des Judentums; Jahrgang 12, Heft 13, vom 30. März 1933 ist zu lesen, Zitat:

Wir 565 000 deutschen Juden legen feierliche Verwahrung ein

Eine zügellose Greuelpropaganda gegen Deutschland lobt in der Welt. Durch jedes Wort, das gegen unser Vaterland gesprochen und geschrieben wird, durch jeden Boykottkaufruf, der gegen Deutschland verbreitet wird, sind wir deutschen Juden genau so tief getroffen wie jeder andere Deutsche. Nicht aus Zwang, nicht aus Furcht, sondern weil gewisse ausländische Kreise die E h r e  d e s  d e u t s c h e n  N a m e n s  lästern, das  L a n d   u n s e r e r   V ä t e r  und das  L a n d   u n s e r e r   K i n d e r  schädigen, sind wir ohne Verzug dagegen aufgestanden.  V o r   d e m   I n l a n d   u n d   d e m   A u s l a n d   h a b e n   w i r   d i e   L ü g e n m e l d u n g e n   ü b e r   D e u t s c h l a n d   u n d   d i e   n e u e   R e g i e­ r u n g   g e b r a n d m a r k t. Maßgebende christliche und jüdische Persönlichkeiten daheim und draußen, nicht zuletzt der Vereinigten Staaten, kennen den Centralverein als einen Vorkämpfer der deutschen Sache, einen Vorkämpfer, der das Vaterland liebt, einen Vorkämpfer, der die Zehntausende deutscher Juden, die seine Fahne tragen, zur Pflege unbeirrter deutscher Gesinnung im Leben und Streben anhält, einen Vorkämpfer, der sich stolz zu den Werten des Judentums als der angestammten Religion bekennt. Weil wir so sind, weil wir nicht anders sein können, ist unser energischer Protest gegen Deutschlands Verunglimpfung  g e g l a u b t  worden. Weil wir so sind, sind die Schritte in Amerika,  d i e   w i r   u n t e r n a h m e n ,  e r f o l g r e i c h   f ü r   u n s e r   V a t e r l a n d  ausgeschlagen.

Nur in unserem  e i g e n e n  Vaterland, dem Lande, für das zwölftausend jüdische Helden ihr Leben ließen, glaubt man uns nicht.

M a n   b e s c h u l d i g t   u n s , daß die Kampagne des Hasses und der Lügenhetze von den  d e u t s c h e n  Juden ausgehe: bei den deutschen Juden läge es, die Lügner zurechtzuweisen, die deutschen Juden wollten dies aber nicht.

Gegen diese ungeheuren Beschuldigungen legen wir 565 000 deutschen Juden  v o r   g a n z   D e u t s c h l a n d   f e i e r l i c h e   V e r w a h r u n g  ein. Die deutschen Juden haben  n i e m a n d e n   i n   D e u t s c h l a n d   u n d   i n   d e r   W e l t   m i t t e l b a r   o d e r   u n m i t t e l b a r   z u   s c h ä n d l i c h e n   V e r l e u m d u n g e n   o d e r   g a r   z u   i r g e n d e i n e r   H a n d l u n g   g e g e n   D e u t s c h l a n d   v e r a n l a ß t . Die deutschen Juden haben, soweit sie es vermochten, dagegen sofort das  A e u ß e r s t e   g e t a n ,  u m   j e d e   B e l e i d i g u n g   d e s   H e i m a t l a n d e s ,  j e d e   B e s c h i m p fung  d e r   R e g i e r u n g ,  j e d e   S c h ä d i g u n g   d e r   d e u t s c h e n   V o l k s w i r t s c h a f t   u n m ö g l i c h   z u   m a c h e n.

Vor Gott und den Menschen stehen wir so gerechtfertigt da. Mit Würde und mit Mut werden wir die mitleidlosen Maßnahmen Deutscher gegen Deutsche auf eigener Heimaterde zu ertragen wissen.

Zitat Ende 5

Auch hier erhob wieder ein Einzelner oder eine kleine Gruppe von Autoren die Stimme für eine größere Gruppe von Menschen, und wir können uns sicher sein, dass die 565 000 Menschen, in deren Namen hier gesprochen wurde, vorher nicht dazu befragt wurden. Aber gleiches geschieht ja auch heute noch immer wieder.

Jedenfalls ist es richtig, dass der Central Verein seine Stimme erhob und die Regierung unter Reichskanzler Hitler vor Vorwürfen aus dem Ausland in Schutz nahm.

Das bedeutet nicht, dass zu diesem Zeitpunkt oder vor dem Boykottaufruf alles gut gewesen war. Abneigung oder gar Hass gegen Juden war weit verbreitet und keinesfalls auf Deutschland beschränkt. So kann es durchaus sein, dass der Central Verein erste Anzeichen einer systematischen Verschlechterung der eigenen Situation nicht sah, weil er sie nicht sehen wollte.

Die verlinkte Ausgabe der Central Verein Zeitung enthält noch weitere Artikel, die die Loyalität der jüdischen Bürger gegenüber dem Deutschen Reich bekräftigen und von den Anstrengungen berichten, das Bild Deutschlands im Ausland, insbesondere in den USA und Großbritannien, wieder ins rechte Licht zu rücken.

In dem Buch "The Transfer Agreement" 6 geht Edwin Black im ersten und zweiten Kapitel auf diese Ereignisse detailliert ein und befindet auf Seite 29, Zitat (Übersetzt):

Die Nazis kontrollierten nun nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Landes- und Kommunalverwaltungen. Praktisch jede Institution war nun dem Diktat der Nazipartei unterworfen und wurde für die Verwirklichung der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Ziele der Nazis - einschließlich der Vernichtung des deutschen Judentums - in Bereitschaft versetzt. Am 9. März kehrten die Führer des Central Vereins in das Berliner Büro von Göring zurück. Er versucht erneut, die antijüdischen Vorfälle mit beschwichtigenden Worten herunterzuspielen. Und der Zentralverein wollte glauben.

Zitat Ende

Edwin Black, selbst Jude, verarbeitet in diesem Buch seine Forschungsergebnisse zu der Frage, warum das "jüdische Palästina" einen Pakt mit dem dritten Reich einging, deutsche Juden nach Palästina zu transferieren.

Auch dies ist ein Aspekt des Dritten Reiches, der in meiner Schulbildung komplett ausgeblendet wurde, mir auch keine der vielen deutschen Fernseh-Dokumentationen über diese Zeit vermittelte, und vielleicht auch Sie etwas überrascht.

Laut dessen Recherchen ging der Anstoß für Proteste und Boykottaufruf gegen Deutschland von dem American Jewish Congress aus, ein Alleingang, der im Widerspruch zu einer vorherigen Besprechung am 22. Februar 1933 mit zwei weiteren jüdischen Vertretungen, American Jewish Committee und B'nai B'rith, in den USA stand.

Zitat von Seite 28 (Übersetzt):

Die Konferenz war gespalten. Zwei Vertreter des American Jewish Congress hatten eine Reihe öffentlicher Proteste im In- und Ausland erörtert, um dem deutschen Volk zu zeigen, dass die Welt tatsächlich zusieht und dass die Gewalt der Braunhemden gegen Juden aufhören muss. Die Männer von B'nai B'rith und dem American Jewish Committee lehnten dies ab. B'nai B'rith wollte seine 13 000 Mitglieder zählende deutsche Organisation und seine 103 Logen in Deutschland nicht gefährden, indem sie sich öffentlich gegen Hitler und die Nazis stellten. Die Führung des Comitees hatte enge Freunde und Verwandte in Deutschland, die darauf hingewiesen hatten, dass ein öffentlicher Protest mit Sicherheit eine weitaus stärkere Gegenreaktion der Nazis provozieren würde.

Zitat Ende

Natürlich wirft dies die Frage auf: Hatten B'nai B'rith und das American Jewish Committee recht? Haben die Proteste und der Boykott die Lage der deutschen Juden verschlechtert? Die Nazis hatten sicherlich schon vorher die Juden als Sündenbock und Gefahr für Deutschland deklariert, aber vergrößerte der Boykottaufruf, der sich auf die sowieso schwache Wirtschaft Deutschlands auswirkte, den Anteil der Deutschen, die dieser Propaganda glauben schenkten?

Es ist also tatsächlich richtig, dass der offizielle Boykottaufruf der Nazis gegen von Juden geführte Geschäfte nach dem Boykottaufruf gegen deutsche Waren durch Juden in der USA stattfand. Der Aufruf des Reichskanzlers Hitler informierte, der Boykott starte am Samstag, den 1. April 1933, um 10 Uhr Vormittags, und keinem Juden dürfe auch nur ein Haar gekrümmt werden.

Bildzitat:

Das Bild zeigt ein Plakat mit dem Aufruf, beginnend am Samstag, den 1. April 1933, um 10 Uhr Vormittags, Juden zu boykottieren, ihnen aber kein Haar zu krümmen.  Quelle: "The Jewish Declaration of War on Germany"

Bildzitat Ende

Ich sollte noch erwähnen, dass die "Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora; Geschichte Statt Mythen" in dem Artikel "Von der "Jüdischen Kriegserklärung" und der "Alliierten Kriegsschuld"" 8 folgendes zu dem Artikel im britischen Daily Express anmerkt, Zitat:

Es ist die Legende, das Judentum habe Deutschland 1933 den Krieg erklärt. Als vermeintlicher Beweis gilt ein Artikel des britischen Daily Express vom 24. März 1933 mit der Überschrift „Judea declares War on Germany“. Im Text war zwar von einer Kriegserklärung gar nicht die Rede, wohl aber von Forderungen nach einem Boykott NS-Deutschlands – was von den National­sozialist:innen propagandistisch als Begründung für den antisemitischen Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 genutzt wurde.

Zitat Ende

Mir ist nicht klar, welchen großen Unterschied dies macht. Ja, die Überschrift des Artikels ist unnötig reißerisch, aber der Kern der Nachricht ist dennoch ein Boykottaufruf. Hätten die Nazis darauf verzichtet dies propagandistisch zu Nutzen, wenn der Artikel eine andere Überschrift gehabt hätte?

Die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora möchte mit ihrem Beitrag zu der Frage dieser "Kriegserklärung" vermutlich verhindern, dass der Artikel des Daily Express genutzt wird, die fürchterlichen Taten der Nazis an Juden zu relativieren oder zu rechtfertigen. Ich verstehe dies, halte dies aber für den falschen Ansatz.

Unrecht lässt sich nicht relativieren oder rechtfertigen. Während Philosophen noch immer keine abschließende Klarheit zu dem Begriff Gerechtigkeit gewonnen haben, gibt es Dimensionen des Unrechts, die sich nicht leugnen lassen. Solches wurde während des Dritten Reiches in deutschen und von Deutschland besetzten Gebieten ausgeübt. In dieser Frage spielt es keine Rolle, ob der jüdische Boykottaufruf gegen Deutschland die Stimmung gegen Juden weiter aufheizte, und ob die Nazis dies propagandistisch nutzten.

Der Reichstagsbrand fand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 statt. In dem Buch "The Transfer Agreement" heißt es dazu, Zitat (Übersetzt):

Die Nazis schritten zur Tat. In dieser Nacht bereiteten Hitler und Goebbels eine Propagandakampagne vor. Am nächsten Morgen war die deutsche Öffentlichkeit davon überzeugt, dass das Feuer - das wahrscheinlich von Hitlers eigenen Leuten gelegt worden war - in Wirklichkeit der Beginn eines von Juden unterstützten kommunistischen Aufstands war.

Zitat Ende

Das war vor dem Teffen der drei jüdischen Vertretungen, welches ich vorher erwähnte, und dient in dem Buch als Erklärung für dieses Treffen oder wird zumindest im Zusammenhang mit diesem dargestellt.

Ich hatte diese Darstellung auch schon so in diesen Artikel übernommen und war damit auch sehr zufrieden, da nagte die Frage nach wenigstens einer Primärquelle an mir, nach einem Zeitungsausschnitt, in dem entweder der Begriff "Jude" oder "jüdisch" im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand auftaucht. Es kann ja nicht so schwer sein, so etwas zu finden, dachte ich.

Was ich finden konnte waren Bilder von Zeitungen, die unerklärlicherweise sogar heute noch einen Copyright-Hinweis tragen, sowie die Seite "Geschichte kompakt", auf der wesentliche Passagen dieser Zeitungen als Text zur Verfügung gestellt werden 9 . Die Tat wurde mit Kommunisten in Verbindung gebracht, die Begriffe "Bolschwisten" und "Marxisten" wurden offenbar synonym verwendet und schließlich wurde auch die SPD mit dem Brand in Verbindung gebracht.

Falls "kommunistisch", "bolschewistisch" und "marxistisch" auch synonym mit "jüdisch" verstanden wurde, so ging dies aus den von mir gefunden Texten zum Reichstagsbrand nicht hervor. Ich ging auch der Frage nach, ob "kommunistisch", "bolschewistisch" oder "marxistisch" bereits vor dem Reichstagsbrand mit "jüdisch" in Verbindung gebracht worden war, und fand zunächst nichts.

Ich legte diesen Misserfolg auch im Text dar und notierte, dass ich die Aussage des Buches "The Tranfer Agreement", dass der Reichstagsbrand als "von Juden unterstützt" propagandistisch ausgeschlachtet wurde, nicht erhärten konnte.

Leicht zu finden war aber, dass Haß und Hetze gegen Juden in Deutschland bereits vorher existierten. Als Beleg hierfür möchte ich auf den von Alfred Wiener für die Zeitschrift "Im Deutschen Reich" des "Central Verein" verfassten Artikel aus der Juli/August-Ausgabe des Jahres 1919 verweisen 10 , der unter der Überschrift "Juden! Wehrt Euch!" 11 auf der Seite "weimarer-republik.net" teilweise wiedergegeben ist. Von daher gibt es keinen Zweifel, dass alles Mögliche zu dieser Zeit "den Juden" in die Schuhe geschoben wurde.

Widmet man sich der genannten Ausgabe etwas mehr, statt nur die Kurzfassung zu lesen, dann findet man auf Seite 300, Zitat:

Die „Germania“ schrieb u.a.:

Auch in Deutschland kann man feststellen, vor allen Dingen an den Namen führender Kommunisten, und an der Haltung der  j ü d i s c h e n   P r e s s e , daß die Judenschaft im allgemeinen eine große Neigung zu  s p a r t a k i s t i s c h e n   U m t r i e b e n  hegt.

Zitat Ende

Kurz vorher war der Spartakusbund 12 über den Umweg der USPD in der KPD aufgegangen. Dieser Absatz aus der "Germania" stellt also die von mir gesuchte Verbindung her.

Wie tief diese Verbindung zwischen "kommunistisch" und "jüdisch" in den Köpfen der Allgemeinheit verankert war, ist damit natürlich nicht beantwortet und für mich schwer einzuschätzen. Ich werte dies als Indiz dafür, dass obige Aussage aus "The Tranfer Agreement" nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, aber eine Quelle, die Juden in ihrer Eigenschaft als Jude, und nicht in ihrer Eigenschaft als Kommunist, propagandistisch mit dem Reichtagsbrand in Verbindung bringt, fehlt weiterhin.

Wie auch immer sich die Quellenlage hierfür für mich weiter entwickelt, der Reichtagsbrand wurde genutzt um Kommunisten und danach auch Sozialdemokraten aus der politischen Landschaft zu entfernen.

Jüdische Geschäftsleute hatten es in Deutschland ganz sicher nicht einfach, nicht in 1919 und ganz sicher auch nicht in 1933. Der Text aus 1919 äußert die Sorge, in Deutschland könnten bald Pogrome wie in Polen, Galizien und Russland stattfinden.

Dennoch ist nicht auszuschließen, dass die Wirtschaftskriegserklärung im Namen der Juden, meiner Meinung nach eine Anmaßung der Akteure, den Nazis erst die notwendige Zustimmung brachte, um ihr menschenverachtendes Vorgehen gegen Juden tatsächlich durchzuführen.

Nicht wenige sind der Meinung, dass der Reichstagsbrand von den Nazis selbst gelegt wurde. Nichts hätte sie daran hindern können, andere False-Flag-Operationen durchzuführen, um die Juden weiter zu diskreditieren. Dass die Hitler-Regierung vor Operationen unter falscher Flagge nicht zurück schreckte, zeigte später der Auftakt zum Polenfeldzug. So denke ich: Ja, der Boykottaufruf erleichterte den Nazis ihr Vorgehen gegen Juden, aber sie hätten sicherlich auch andere Begründungen gefunden oder geschaffen. Der Nährboden dafür war in Deutschland bereitet, und die Nazis hätten dies so oder so genutzt. Das unbeschreibliche Leid, dem Juden, und nicht nur diese, schließlich ausgesetzt waren, ist allgemein bekannt und durch nichts entschuldbar.

Zu viele Deutsche glaubten damals die Propaganda, oder zumindest wagten zu wenige sich gegen diese zu stellen.

Die wichtige Frage für unsere Zukunft ist nun, ob wir Deutschen inzwischen gelernt haben, Propaganda als solche zu erkennen und uns gegen diese zu stellen. Denn Propaganda, False-Flag-Operationen, Hassrede und Hetze gibt es heute natürlich noch genauso wie damals, ebenso jene, welche dies nicht wahrhaben wollen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Halten Sie Herz und Geist offen und verarbeiten Sie Nachrichten immer in dem Bewußtsein, dass sie von Interessen geleitet und durchsetzt sein könnten, die mit Ihren Interessen und Ihrem Wohl nichts zu tun haben. Stellen Sie sich auch die Frage: Wird in dieser Nachricht Stimmung gemacht gegen eine Personengruppe oder gar einen ganzen Staat?

Passen Sie gut auf und schauen Sie im Zweifel lieber etwas genauer hin. Krieg und Frieden beginnen in unseren Köpfen. Wer Frieden möchte, muss Frieden denken.

Ich weiß, dass dieses Thema auch heute noch ein Mienenfeld ist. Ich habe mich bemüht, Primärquellen für Aussagen der Sekundärquellen zu suchen. Ich bin kein Geschichtsexperte und bin nicht bei jeder Suche erfolgreich gewesen, genauso wie ich nicht jeder einzelnen Aussage hinterher forschte, die ich zitierte. Insofern ist dieser Stand meiner Erkenntnis zu den mir vorher unbekannten Aspekten jener Zeit natürlich nicht in Stein gemeißelt.

Ergänzung 2025-05-26: Auf der Suche nach einer frei verfügbaren Ausgabe eines Werkes von Platon in deutscher Sprache stolperte ich über das Buch "Hitlers Kampf und Platons Staat : eine Studie über den ideologischen Aufbau der nationalsozialistischen Freiheitsbewegung" 13 . Ich will diesem Buch keinesfalls eine Leseempfehlung aussprechen und habe es selbst nur kurz angelesen, gerade weit genug um folgende Passage zu lesen, Zitat Seite 13:

Kritik geistiger Haltung ist zunächst der Angriff auf Marxismus (40. 41 usw.) und Judentum (61 ff.). Sie ergibt sich aus Beobachtungen von „Erkrankungen... fast auf allen Gebieten der Kunst und Kultur" (284), ...

Zitat Ende

Die Nummern beziehen sich auf Hitlers "Mein Kampf" in der Münchner Ausgabe des Jahres 1930, wie der allerersten Fußnote des Buches entnehmbar ist.

Ohne dieses Buch nun weiter oder gar "Mein Kampf" lesen zu müssen, und mein Bedürfnis dies zu tun geht gegen Null, kann ich zweifelsfrei feststellen, dass vor dem Boykottaufruf der Juden im Ausland eine Kampfansage Hitlers sowohl gegen Marxisten als auch gegen Juden ganz offiziell bekannt war. Wer wissen wollte, wes Geistes Kind die führenden Nationalsozialisten waren, konnte dies wissen.

Der Hinweis von Edwin Black in "The Transfer Agreement" trifft den Nagel also auf den Kopf: Der Zentralverein wollte den Beschwichtigungen Görings glauben.

Ich stelle fest, auch basierend auf Entwicklungen der jüngeren Zeit, die jeder sehen könnte, der nur wöllte, dass der Wille zu Glauben ein allgemein verbreitetes Phänomen ist.

Die Frage ist: Worin gründet dieser Wille? Ist es Angst vor der Wahrheit? Oder ist es Bequemlichkeit? Oder gibt es eine Vielzahl verschiedener Gründe?


Erkenntnisse haben meistens vorläufigen Charakter und sind immer individueller Natur . Sie selbst entscheiden, ob Sie Erkenntnisse anderer als Meinung übernehmen oder ob Sie sich Erkenntnisse selbst erarbeiten. Meine Quellenangaben sollen Ihnen bei letzterem eine Hilfestellung geben, Sie sollten aber immer auch weitere Quellen verwenden.

Glauben Sie nicht, auch nicht mir, sondern prüfen Sie und schlussfolgern Sie selbst.

Fußnoten


  1. The Jewish Declaration of War on Germany ; Larry Romanoff; The Unz Review; www.unz.com; 2023-01-28
  2. The Jewish Declaration of War on Germany ; Larry Romanoff; The Unz Review; www.unz.com; 2023-01-28
  3. Deutsches Reichsgesetzblatt Teil II, 1924, Seite 235, Bankgesetz ; Österreichische Nationalbibliothek; alex.onb.ac.at; 1924-08-30
  4. Nr. 429 Ministerbesprechung vom 3 Februar 1930 10 Uhr: 1. Reichsbankgesetz. ; www.bundesarchiv.de; 1930-02-03
  5. Wir 565 000 deutschen Juden legen feierliche Verwahrung ein ; Central Verein Zeitung, Allgemeine Zeitung des Judentums; Jahrgang 12, Heft 13, Seite 1; sammlungen.ub.uni-frankfurt.de; 1933-03-30
  6. The Transfer Agreement , The Dramatic Story of the Pact between the Third Reich and Jewish Palestine; Edwin Black; Internet Archive; 1983, 2009
  7. The Jewish Declaration of War on Germany ; Larry Romanoff; The Unz Review; www.unz.com; 2023-01-28
  8. Von der "Jüdischen Kriegserklärung" und der "Alliierten Kriegsschuld" ; Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora; Geschichte Statt Mythen
  9. Zeitungsberichte über den Reichstagsbrand - Geschichte kompakt ; Geschichte kompakt
  10. Im Deutschen Reich. Zeitschrift des Centralvereins deutscher Bürger jüdischen Glaubens JG 25 Heft 7-8 ; sammlungen.ub.uni-frankfurt.de; 1919-08
  11. Juden! Wehrt Euch! ; www.weimarer-republik.net; 1919-08
  12. Der Spartakusbund ; Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Stiftung Deutsches Historisches Museum; www.dhm.de
  13. Hitlers Kampf und Platons Staat : eine Studie über den ideologischen Aufbau der nationalsozialistischen Freiheitsbewegung ; Joachim Bannes; Internet Archive; 1933

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