Idee der eigenen Erkenntnis
Idee der eigenen Erkenntnis

Der politische Kompass

Frank Siebert
QR Code
Creative Commons Zero

Was genau bedeutet politisch Rechts, Links, Rechtsextrem oder Linksextrem. Was genau ist ein politisch Liberaler? Wo kommen die Begriffe ursprünglich her, und was wurde in Deutschland daraus gemacht? Wie werden die Begriffe heute in Deutschland verstanden? Lassen Sie uns das Dickicht lichten und unseren Kompass neu kalibrieren, denn alles deutet darauf hin, dass die politische Weltsicht einen Pol-Sprung erlebt hat und die Nadel gerade konsequent in die falsche Richtung zeigt. Oder stimmt etwas mit der politischen Karte nicht?

Die Sitzplatzvergabe in Deutschen Parlamenten versucht eine Einordnung der Parteien nach Rechts und Links vorzunehmen und das erstaunlichste an dieser Tatsache ist, dass dieser Punkt recht Geräuschlos vonstatten geht, obwohl diese Einteilung enorme Auswirkungen auf die erreichbare Stimmenzahl in Wahlen haben würde, wenn sie inhaltlich der Urbedeutung des politischen Rechts und Links folgen würde.

Doch in Deutschland hat sich in den Köpfen festgesetzt, dass es Rechts die konservativen Politiker gäbe und Links die sozialen Politiker. In der Mitte prügeln sich derweil die Freiheitlichen und die Grünen um die Plätze und ich habe ehrlich noch nicht darauf geachtet, welche dieser beiden Gruppen zur Zeit weiter Links als die andere Einsortiert wird.

Malt man nach diesem deutschen politischen Kompass die deutsche politische Karte, dann sind die Sozialen also im Westen, die Freiheitlichen platzieren wir dem Gleichnis wegen einfach im Norden, die Grünen in den Süden und die Konservativen sind im Osten.

So ausgerüstet könnten wir uns nun an dieser politischen Karte orientieren und uns fragen wo es uns besser gefällt, wo wir selbst hingehören und wo wir uns selbst hinbewegen wollen.

Das große Problem stellt sich jenen, welche sowohl konservativ, also bewahrend, sein wollen, als auch sozial, als auch freiheitlich, als auch grün, also umweltbewahrend. Nichts davon ist auf den ersten Blick schlecht und keine dieser Eigenschaften schließt die anderen Eigenschaften aus. Tatsächlich gibt es sogar rechte, also konservative, Parteien in Deutschland, welche das "Soziale" in ihrem Namen tragen.

Irritierend ist dann noch, dass die Umweltkonservativen, also die Grünen, nicht zu den Konservativen gerechnet werden, sondern offiziell Links einsortiert werden. Wir blicken etwas ratlos und auch orientierungslos auf unseren Kompass.

Stimmt die politische Karte, so wie sie gezeichnet wird? Da eine politische Karte und der politische Kompass uns bei der politischen Orientierung helfen soll, wir nun aber orientierungslos die politische Richtung suchen, in der wir sowohl konservativ, als auch sozial, als auch freiheitlich, als auch umweltbewahrend sein können, erfüllt diese politische Karte zumindest nicht ihren Zweck.

Wirklich einfach ist das mit dem Rechts und Links auf der politischen Karte Deutschlands also nicht. Da wundert es denn auch niemanden wirklich, wenn dies mit dem Rechtsextremismus und Linksextremismus nicht unbedingt einfacher wird,

So haben zum Beispiel linksextreme RAF-Terroristen einen Herrn Herrhausen von der Deutschen Bank ermordet, obwohl dieser gerade als Chef der Deutschen Bank einen Links anmutenden Schuldenschnitt für Entwicklungsländer propagierte 1 . Auch ergab sich bei der Aufarbeitung der Geschehen rund um die RAF, dass deren staatsferne durch V-Leute stark in Frage gestellt werden kann 2 . Und der Bundesverfassungsschutz hat bei mehreren Vorgängen im rechtsextremen Milieu durchaus bewiesen, dass auch in dieser Richtung keine Kontaktängste herrschen. Ja, Teilweise gewinnt man den Eindruck, dass zentrale Teile der rechtsextremen Gruppen in Deutschland auf großzügige Finanzierung von Seiten des Verfassungsschutzes regelrecht angewiesen sind. Und dann gab es im Dritten Reich auch noch diese rechtsextreme Partei mit dem Hakenkreuz, welche sich ganz links angelehnt selbst "Sozialisten" nannten, Nationalsozialisten halt, aber dennoch Sozialisten, und heute als der Inbegriff des Rechtsextremen gilt.

Wenn wir uns in dieser Landschaft also an den üblichen Verortungen Aufgrund heute gängiger politischer Ortsbezeichnungen orientieren wollen, dann sind wir wirklich völlig aufgeschmissen.

Welchen Sinn aber macht eine politische Karte und ein eigener politischer Kompass, wenn sie nicht bei der politischen Orientierung helfen?

Werden wir absichtlich in die Irre geführt, oder hat der Kartograph einfach seine Arbeit nicht richtig gemacht?

Ob es sich um Absicht handelt, werde ich im Rahmen dieses Artikels nicht beantworten, aber die Frage wäre eine nähere Betrachtung durchaus Wert. Vermutlich ist es aufwendig nach den Urhebern der Misere zu suchen. Und so lange wir die Urheber nicht kennen, ist es auch schwer der dahinter liegenden Motivation auf den Grund zu gehen. Eine Arbeit für Historiker, welche den Rahmen dieses Artikels ganz klar sprengt.

Im Rahmen dieses Artikels werden wir aber immerhin feststellen, welcher Gruppe die Orientierungslosigkeit zu mehr Stimmen verhilft, als sie ohne sie jemals erhoffen dürfte.

Hatten das politische Rechts und Links früher einmal andere Bedeutungen und eignete sich deren Bedeutung damals besser, um eine politische Landkarte zu zeichnen? Waren diese früheren Bedeutungen zur Orientierung geeignet und wären sie auch heute noch hilfreich dafür?

Gerne wird darauf verwiesen, die politische Unterteilung in Rechts und Links stamme aus Frankreich und Deutschland habe diese Begriffswelt von dort übernommen. Die WikiPedia berichtet darüber 3 :

Zitat

Das Aufkommen der Unterscheidung „links“ – „rechts“ im Sinne politischer Richtungsbegriffe wird auf den Ursprung der Französischen Nationalversammlung in der Konstituante von 1789 zurückgeführt. Dort saßen die „Radikalen“ (womit damals (sozial-)liberal-demokratische Kräfte bezeichnet wurden) links und die konservativ-reaktionären Aristokraten rechts.

Zitat Ende

Nach der Beseitigung des schmückenden "sozial" und "konservativ-reaktionär" kann man leicht erkennen: Rechts sitzen die Aristokraten 4 , also jene, welche dem Wortsinne nach für ein Regieren der "Besten" sind und durch die Anwendung dieses Wortes auf sich selbst auch darlegen, wen sie dafür halten.

Es gab also einmal eine Zeit, in der Links für ein egalitäres Weltbild stand und Rechts für ein elitäres. Linker stand für jemanden, der sich als Gleicher unter Gleichen betrachtete, mit dem Anspruch, als Gleicher diese Gleichen, welche die Gemeinschaft, den Demos bilden, zu vertreten, und Rechts stand für jemanden, der sich als Angehöriger der "Besten", der Elite, betrachtete, und sich als solcher zu einer entscheidenden Führungsrolle berufen fühlt.

Das ist eine Unterscheidung, die eine klare Kante zeigt. Nach dieser Unterscheidung sitzen die Demokraten links und rechts sitzen die Aristokraten. Was mir an dieser politischen Karte gut gefällt, man kann sich mit ihrer Hilfe sehr gut zurecht finden.

Besitze ich ein elitäres Weltbild, nach dem die Besten regieren sollten und glaube vielleicht gar zu diesen Besten zu gehören, dann bin ganz klar ein Rechter. Besitze ich ein egalitäres Weltbild, nach dem sich Gleiche unter Gleichen mit gleichem Gewicht ihrer Stimme, Stimme im Sinne von Meinung, an Entscheidungen beteiligen sollen, dann bin ich ganz klar ein Linker.

Nehmen wir in diesem Kontext den Begriff "Elite", "Auserwählte", so wird klar: Wer diesen Begriff verwendet, um auf andere zu verweisen, oder gar unwidersprochen diesen Begriff auf sich anwendet oder anwenden lässt, hat die politisch rechte Gedankenwelt zumindest Teilweise übernommen und ist damit bereits mit einem Fuß oder auch bereits vollständig im rechten politischen Spektrum angekommen.

Der Begriff suggeriert, dass es eine auserwählte Gruppe gäbe, deren Wort einen höheren Stellenwert, dessen Meinung ein höheres Gewicht im politischen Diskurs hat.

Wer den Begriff verwendet, hängt sinngemäß dem Gedanken nach, dass es "Auserwählte" gibt. Und der Weg zu dem Gedanken, dass diese "Besseren" in Weisheit herrschen sollten, ist danach nicht mehr weit. Dies macht den so Denkenden zu einem Wegbereiter einer "Aristokratie", der er sich selbst zugehörig fühlen mag oder auch nicht.

Selbst wenn es faktisch stimmen sollte, dass es "Bessere" gibt, ist es politische Aufgabe des Links denkenden Menschen sich gegen diesen Fakt zu stemmen und damit auch gegen die Suggestion, es habe schon seine Richtigkeit, wenn eine sogenannte Elite den Diskussionsrahmen bestimmt. Auch der Gedanke, es gäbe eine linke politische Elite, führt in die Aufteilung der politischen Landschaft in Aristokraten und einfache Bürger, in der einige Aristokraten vorgeben einfache Bürger zu repräsentieren.

Man darf sich nichts vormachen. Niemand ist auf allen Gebieten "Bester", darin gleicht die sogenannte Elite den gemeinen Menschen. Ich sehe keinen Sinn darin einer sogenannten Elite oder auch Aristokratie das Recht zu geben über mein Handeln oder Denken zu bestimmen, denn sie sind genauso zum Irren verurteilt wie auch ich. Irren ist menschlich.

Nichts beschreibt damit das aktuelle Dilemma der politischen Orientierungslosigkeit mehr, als der Begriff "Elite". Dieser ist inzwischen allgemein in Verwendung und sogar allgemein akzeptiert. Verschiedentlich höre ich sogar so seltsame Gedanken einfacher Bürger, es sei doch viel besser, wenn es einen Rat der Weisen gäbe. Das ist kein Witz! Ich habe diese Aussage schon selbst vernommen. Aus ihr spricht echte Demokratiemüdigkeit, verursacht durch die Orientierungslosigkeit, die in der falsch gezeichneten politischen Karte gründet, welche eine scheinbar unfähige politische - in Gänsefüßchen - "Elite" in die Parlamente hievt. Und die vorgeschlagene Lösung einiger ist tatsächlich: "Hätten wir doch eine andere, eine weise Elite/Aristokratie für diese Aufgabe."

Noch sind solche Äußerungen zum Glück nicht die Regel, aber elitär und aristokratisch denkende Zirkel, welche sich zur Zeit mit Geld- und Wirtschaftsmacht als Oligarchie etabliert haben, arbeiten daran, dieses in ein stärker feudalistisches, aristokratisches System zu überführen. Sie verwenden "sozial", "Teilhabe", "Gleichheit", "Nachhaltigkeit" und viele weitere positiv besetzte Begriffe, obwohl es ihnen einzig um den Erhalt und Ausbau ihrer Macht auf Kosten unserer Freiheit geht. Sie tun dies, weil sie Angst vor dem Machtverlust haben, denn sie wissen am Besten, wie mit Machtlosen umgegangen wird.

Natürlich gibt diese einfache Karte keinen Aufschluss darüber, in welche Richtung ich mich mit Sachthemen wenden muss, die über die reine Machtpolitik hinaus gehen. Oder vielleicht doch? Will ich eigene Anliegen und Sachthemen im politischen Diskurs nach vorne bringen, was wird mir dann auf der rechten Seite angeboten? Im elitären Denksystem muss ich meine Zugehörigkeit zur sogenannten Elite erst verdienen, bis ich wohlwollend aufgenommen und als Teil der Elite akzeptiert werde. Auf dem Weg dorthin muss ich mich anpassen und die eigenen Vorstellung zurück lassen, sonst klappt es mit der Akzeptanz nicht wie gewünscht,

Im egalitären Denksystem gibt es keinen Aufstieg, keinen Akzeptanzstatus, wenn es dann ernst gemeint ist. Ich kann meine Anliegen und Sachthemen sofort zur Diskussion stellen und muss keine Rücksicht auf eine Elite nehmen, der ich irgendwann angehören möchte. Ich kann mit meinen Anliegen scheitern, aber ich scheitere als Gleicher unter Gleichen und nicht bereits am eigenen Ehrgeiz in einen exklusiven Club aufgenommen zu werden.

So ist es im Grunde vorgezeichnet, dass der Wunsch, in Sachthemen die eigene Meinung vertreten zu können, auf dieser politischen Karte nach Links führt. Der Wunsch einer machtvollen Elite anzugehören, die scheinbar alles durchsetzen kann was sie will, führt nach Rechts. Und dort merken viele zu spät, dass sie von viel Mächtigeren weiter beherrscht werden, welche auf eine persönliche Teilname im politischen Theater nicht angewiesen sind, weil sie mit ihrem Geld die Medien beherrschen und über diese Medien die Zugangskarten zu dem politischen Theater verteilen.

Wenn wir uns nicht daran machen, unsere politische Karte neu zu zeichnen, so dass diese wieder eine Orientierung bietet, und wenn wir diese neue politische Karte nicht verbreiten und in der Gedankenwelt unserer Mitmenschen verankern, dann werden unsere Mitmenschen weiter in die politische Irre laufen, ihren politischen Weg nicht finden und uns nicht helfen können, wenn wir ihre Ideen und ihre Unterstützung zur Verbesserung der Welt brauchen.

Nur wenn die Karte stimmt, verrät der Kompass auch, welche politischen Entwicklungen unsere Gesellschaft nach Rechts und welche nach Links führen. Nur mit diesem Kompass erkennt man den rechten Charakter der Agenda 2030 zur Gänze, den rechten Charakter der derzeitigen Nachhaltigkeits-Diskussion in verschiedenen Themen, den rechten Charakter des Missbrauches des Wortes "Teilhabe", was doch eigentlich tatsächlich ein linkes Thema wäre, den rechten Charakter einer digitalen Identität zwecks lückenloser Überwachung, den rechten Charakter der Klimadiskussion und das rechte Schema hinter dem Ukraine-Krieg und der künstlichen Energie- und Nahrungsmittelverknappung.

Es gibt zur Zeit keine linke Politik in deutschen Parlamenten. Der Gedanke, es gäbe eine Elite, dominiert alle vertretenen Parteien. Der Prozess des parteiinternen Aufstieges fördert diesen Gedanken in allen Parteien. Und ein typisch - in Gänsefüßchen - "linkes" Phänomen ist der Verweis auf "Intellektuelle", mit dem man sich um den Verweis auf eine - in Gänsefüßchen - "geistige Elite" herumdrückt. Irgendwie wissen Parteien und Menschen, welche sich Links positionieren, also schon, dass sie eigentlich nicht auf eine Elite verweisen dürften, und verwenden darum einfach einen Begriff, der diesen Akt verschleiert.

Auf jeden Fall fehlt in den Parlamenten jeglicher Versuch, elitäres Denken zurück zu weisen und die grundsätzliche Gleichheit aller Beteiligten im politischen Diskurs einzufordern.

Die Selbstbetrachtung und die Betrachtung des Andern als Mensch unter Menschen, als Gleicher unter Gleichen, ist eine geistige Sozialreform, welche wir in unserem politischen Diskurs und im allgemeinen sozialen Selbstverständnis durchsetzen müssen. Es ist der Kern einer Politik des sozialen Friedens und die Grundlage echter Demokratie.

Das Soziale, was uns demnächst angeboten wird, das digitale Zentralbankgeld, welches uns nach dem Zusammenbruch der Wirtschaft wieder die - in Gänsefüßchen - "Teilhabe" wird ermöglichen sollen, kommt nicht von Links, sondern kommt aus der extrem weit rechten Ecke, welche damit im eigenen Interesse die eigene Macht zementieren will. Es ist eine weltweite, extreme Rechte, die sich selbst für eine Elite mit dem Recht zum Herrschen hält. Und Herrschern gleich haben sie ihre Untertanen in unseren Parlamenten sitzen, in allen verfügbaren Tarnfarben, damit wir das Braun nicht sehen.

Die heute gern verwendete politische Karte ist für die Orientierung nicht hilfreich. Die viel ältere politische Karte, welche zwischen Aristokraten auf der Rechten und Demokraten auf der Linken Seite unterscheidet, ist noch immer aktuell und hilfreich. Bezeichnend für die Aktualität ist die neuerliche Einstufung von Menschen, welche mit dem Grundgesetz unter dem Arm für die Demokratie auf die Straße gehen, als Radikale. Es hat sich also seit 1789 nicht wirklich viel verändert, außer dass diese Radikalen keinen Sitz mehr im Parlament haben und als Rechte abgestempelt werden.


Erkenntnisse haben immer vorläufigen Charakter und sind immer individueller Natur . Sie selbst entscheiden, ob Sie Erkenntnisse anderer als Meinung übernehmen oder ob Sie sich Erkenntnisse selbst erarbeiten. Meine Quellenangaben sollen Ihnen bei letzterem eine Hilfestellung geben, Sie sollten aber immer auch weitere Quellen verwenden.

Glauben Sie nicht, auch nicht mir, sondern prüfen Sie und schlussfolgern Sie selbst.

Fußnoten


  1. Die Entsorgung eines Unbequemen ; Ernst Wolff; www.rubikon.news; 2020-01-30
  2. Die RAF, der Staat und kriminelle V-Leute ; Udo Schulze; heise online; 2010-01-23
  3. Politisches Spektrum – Wikipedia ; de.wikipedia.org
  4. ἄριστος - Wiktionary ; en.wiktionary.org

Kategorie:Der_politische_Kompass Kategorie:Politik