Idee der eigenen Erkenntnis
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Aufs Wort Geschaut: Nation

Frank Siebert
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Der Nationalismus hat in Deutschland keinen guten Ruf, aber was genau bedeutet das Wort Nation im Kontext seiner Herkunft? Was macht das Wort Nation dazu geeignet, Menschen die Idee eines Nationalismus einzupflanzen, sie von anderen Menschen somit abzugrenzen und ihnen vielleicht gar eine feindliche Sicht auf andere Nationen beizubringen?

Die erste Teil des Wortes, Nat-, weckt bereits den Verdacht, das Wort könne irgendwie mit dem Wort Natur verwandt sein. Das englische Wiktionary erweist sich wieder einmal als hervorragende Quelle zur Herkunft des Wortes.

Im Deutschen ist das Wort dem lateinischen "nātiō" entlehnt 1 . Dieses ist die Kombination des Wortes nāscor [geboren sein] mit der Endung "-tiō", durch die ein abstraktes Nomen gebildet wird 2 . Man kann danach noch der weiteren rekonstruierten Herkunft ins proto-italienische 3 und proto-indo-europäische 4 folgen, aber, außer dass die Nebenbedeutungen verschwinden, passiert da nichts weiter als einige Lautverschiebungen.

Im Lateinischen hat es allerdings weitere Bedeutungen, neben dem der "Geburt". Bereits die Lateiner verwendeten das Wort auch im Sinne von "Nation" oder auch im Sinne von "Rasse". Wie gesagt, verschwinden diese Nebenbedeutungen in den Rekonstruktionen der weiteren Herkunft, aber dies sind Rekonstruktionen, und Dank fehlender Schriftzeugnisse ist heute nicht nachweisbar, ob die Nebenbedeutungen schon früher existierten.

So stammt das Wort Nation also tatsächlich vom gleichen Grundwort wie Natur oder wie das Wort Gene ab. Und bereits die Lateiner, oder sagen wir ruhig die Alten Römer, verwendeten den Begriff, um zwischen gebürtigen Römern und anderen zu unterscheiden. In den Jahrhunderten des römischen Reiches war dies sicherlich jeweils unterschiedlich stark ausgeprägt und unterschiedlich ideologisch unterlegt, ganz so wie wir es auch in der Neuzeit erleben. Das ist jetzt allerdings eine Überlegung, für welche ich den Nachweis schuldig bleibe. Aber es ist, denke ich, belegt, dass es Zeiten gab, in denen man zum Römer werden konnte, ohne dass man in Rom geboren wurde oder römische Eltern hatte 5 .

Was wir bei der Übernahme des Wortes in die deutsche Sprache offenbar verloren haben, ist die Hauptbedeutung "Geburt" des Wortes.

Das Wort Nation trägt schon bei den Römern den Gedanken in sich, das die Geburt ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist, obwohl jeder, dem man in seinem Leben begegnet, diese offenbar erlebt haben muss. Der Vorgang der Geburt unterscheidet sich ja nicht, daher muss die wichtige Unterscheidung wohl darin liegen, an welchem Ort man zur Welt kam oder von welchen Eltern man abstammte.

Insofern ist das Wort Nation prädestiniert dafür, nationalistische Abgrenzungen durch Herabsetzung von Menschen anderer Herkunft zu fördern, also Menschen in feindliche Gruppen zu spalten.

Es war im Grunde gar nicht nötig, das Wort Nationalismus extra zu prägen. Mit der Verwendung des Begriffes nātiō für "Geburt" in seinen Nebenbedeutungen ist das nationalistische Gedankengut bereits bei den Lateinern in voller Blüte ausgeprägt.

Wir werden es nicht verhindern können, dass der Begriff Nation im Deutschen immer darauf Hinweisen wird, Geburt mache einen Unterschied.

Muss ich erwähnen, das der Gedanke, "von adeligem Blut" zu sein, der gleichen Grundidee folgt? Es handele sich um jemanden, der von Geburt an besser sei. Auch dieser Gedanke wurde zur Trennung verwendet, um sich von "einfachen" Menschen abzuheben und tatsächlich gibt es bis heute die sogenannte "Yellow Press", welche Adelshäusern aus mir nicht bekannten Gründen ihre Referenz erweisen. Und immer noch öffnet ein "guter Name" Türen, welche anderen verschlossen bleiben.

Wir haben noch einen weiten Weg zu gehen, um als Gesellschaft zu verinnerlichen, dass wir, bei allen Unterschieden, als Gleiche unter Gleichen geboren werden. Der Begriff "Nation" macht diesen Weg nicht leichter, genauso wenig sind Reichtum auf der einen und Armut auf der anderen Seite in dieser Sache hilfreich.

Und ja, natürlich macht Herkunft einen Unterschied, aber wir sollten dies nicht zum Anlass nehmen, uns von anderen abzugrenzen, oder uns gar über andere erhaben zu sehen, sondern eher dazu, aus philosophischen und kulturellen Unterschieden zwischen Menschen verschiedener Herkunft positive Impulse für unsere eigene geistige und seelische Entwicklung zu ziehen.

Wir sind alle gleich an Menschenwürde und an Menschenrechten, sowie unseren menschlichen Bedürfnissen. Alle anderen kleineren Unterschiede ermöglichen es uns, voneinander zu lernen.

Wenn die Rede von "Nationalstolz" ist, dann bedenken Sie, dass dies als "Stolz auf die Geburt" zu übersetzen ist. Welchen Grund gäbe es, aus seiner Nation Stolz abzuleiten, wenn damit nicht eine "bessere Geburt" gemeint ist?

Sicherlich ist es eine gute Idee, das Wort "Nation" so weit wie möglich vollständig zu vermeiden, oder zumindest eine große Vorschicht bei dessen Anwendung walten zu lassen.

Und die Vereinten Nationen sind eigentlich die "Vereinten Geborenen". Vielleicht sollten einfach einmal alle "Geborenen" vereint an deren Sitzungen teilnehmen.


Erkenntnisse haben meistens vorläufigen Charakter und sind immer individueller Natur . Sie selbst entscheiden, ob Sie Erkenntnisse anderer als Meinung übernehmen oder ob Sie sich Erkenntnisse selbst erarbeiten. Meine Quellenangaben sollen Ihnen bei letzterem eine Hilfestellung geben, Sie sollten aber immer auch weitere Quellen verwenden.

Glauben Sie nicht, auch nicht mir, sondern prüfen Sie und schlussfolgern Sie selbst.

Fußnoten


  1. Nation - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  2. natio - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  3. Reconstruction:Proto-Italic-gnātjō - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  4. Reconstruction:Proto-Indo-European-ǵénh₁tis - Wiktionary ; en.wiktionary.org
  5. Römisches Bürgerrecht – Wikipedia ; de.wikipedia.org